■ Mit Ministerpräsidenten auf du und du: Bahnreform revisited
Berlin (taz/dpa) – Eine Reihe von Ministerpräsidenten war beim Kompromiß zur Bahnreform vor zehn Tagen offenbar geistig abwesend. Immer mehr Bundesländer melden jetzt nämlich offen Bedenken an gegen den Bund-Länder-Kompromiß zur Bahnreform, den sie selbst mit ausgehandelt haben. Nach den SPD-regierten Ländern wandte sich nun auch Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber (CSU) gegen die geplanten Regelungen zur Finanzierung des Personennahverkehrs auf der Schiene. Stoiber entdeckte „schwerste Bedenken gegen die Finanzierungspläne aus Bonn. Es ist nicht auszuschließen, daß die Bahnreform scheitert.“ Heute reden die Verkehrsminister von Bund und Ländern in München noch einmal über den Kompromiß.
Stoiber verwies darauf, daß der Bund 1995/96 jeweils 8,3 Milliarden Mark nach Regionalisierung des Nahverkehrs an die Länder zahlen wolle, außerdem jeweils 3,2 Milliarden Mark, die bisher schon für die Gemeindeverkehrsfinanzierung zugeschossen worden seien. Das hatte das Bundesministerium auch niemals bestritten. Dennoch sprach der Bayer von einem „Buchungstrick“. Die 8,3 Milliarden reichten nicht, um den Regionalverkehr zu finanzieren.
Die Ministerpräsidenten waren bei dem Treffen mit Kanzler Helmut Kohl am 12. November ihrem rheinland-pfälzischen Kollegen Rudolf Scharping hinterhergetrottet, der den Kompromiß mit Kohl und Wissmann ausdealte. Stoiber sagt nun: „Scharping hat sich offenbar zu früh in der Rolle des Bundeskanzlers gesehen und die bisherige einvernehmliche Position der Länder aufgegeben.“
Zuvor schon hatte Scharpings Parteifreund, Hessens Regierungschef Hans Eichel, seine ablehnende Haltung gegen die Vereinbarung deutlich gemacht. Unter seiner Federführung hatten die SPD-Länder Nachbesserungen verlangt, darunter eine Verschiebung der Regionalisierung um ein Jahr auf 1996.
Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) will dagegen an dem Kompromiß festhalten. Die Bahnreform dulde keinen Aufschub mehr, betonte er in Mannheim. Privatisierung und Regionalisierung der Bahn müßten zum 1. Januar 1994 kommen. Ohne die Reform würde der Finanzbedarf im nächsten Jahrzehnt um 100 Milliarden Mark höher liegen.
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