Bahnhof, Ostflügel: Igel in der Tasche
■ Bahnhofsmission sammelt und freut sich
Ein weißes Blümchen wollen die Jungen einer Bremer Schulklasse haben. „Für die Mädchen“, sagt einer. Dafür legen er und seine Freunde gerne ein paar Mark in die Sammelbüchse von Hella Wilkening von der Bahnhofsmission am Bremer Hauptbahnhof. Gestern und heute sammeln sie und ihre KollegInnen hier für die sich allein auf Spendengelder stützende Einrichtung. „Bei schlechtem Wetter haben die Menschen einen Igel in der Hosentasche“, erklärt Frau Wilkening. Mit anderen Worten: Sie behalten ihr Geld lieber in der Faust. Viermal im Jahr ziehen die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der Bahnhofsmission mit ihren Klimperbüchsen los und hoffen, auf ein paar gebende Hände zu treffen.
Seit Ende August hat die Bahnhofsmission den Betrieb in ihren neuen Räumen im Ostflügel des Hauptbahnhofes aufgenommen. Im Zuge der Umbauarbeiten des Bahnhofs hatte die Mission ihren ursprünglichen Standort auf dem Gleis 1 aufgeben müssen und für 20 Monate einen Container bezogen. Großen Wirbel gab es dann in diesem Frühjahr, als die Deutsche Bahn der Mission den vorgesehenen neuen Platz in der Mittelpassage entzog. Man wolle einen „sauberen Bahnhof“, hieß es von Seiten der Bahn. Obdachlose, Sozialhilfeempfänger, Drogenabhängige und Arbeitslose, die sich mittags eine kostenlose Mahlzeit bei der Bahnhofsmission holen, passten da nicht zwischen die glitzernden Boutiquen und Gourmetstände. Zahlreiche Proteste von BürgerInnen haben schließlich erreicht, dass die Bahn der Mission die Räume im Ostflügel zur Verfügung stellte.
An keinem anderen Ort im Bahnhofsgebäude können Reisende sitzen, ohne etwas verzehren zu müssen. Hier finden sie Ruhe und Gesprächspartner. Auch Opfer von Schwächeanfällen werden schon mal hergebracht, damit sie hier fern von Schaulustigen auf die Ambulanz warten können.
Am 24. Oktober feiert die Bahnhofsmission ihre offizielle Wiedereröffnung. Hella Wilkening hofft, dass bis dahin auch der „Raum der Stille“ fertig ist. Erstmalig erhält die Bahnhofsmission damit einen Andachtsraum. Bei meditativer Musik und Kerzenlicht kann hier gebetet oder einfach nur eine innere Einkehr gesucht werden.
Die Bahnhofsmission bittet um Spenden und freut sich über neue ehrenamtliche Mitarbeiter.
Nina Gessner
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