: Bahn verspricht: Ende Mai 2006 ist alles fertig
Der Nord-Süd-Tunnel ist zentraler Bestandteil der Bahnhofsplanungen der Deutschen Bahn. Am Bahnhof Potsdamer Platz gibt es einen Logenblick: Anstelle von Zügen fährt dort der Betonmischer. Die Schienen sind noch nicht gelegt
„Guck mal, da kommt gerade ein Zug.“ Die Frau mit dem schwäbischen Tonfall hat einen Blick in die von Plexiglas abgeschirmten Tiefen des Bahnhofs Potsdamer Platz getan. Doch sie irrt. Die Lichter, die ihr da von unten entgegenleuchten, können keinem Zug gehören. Denn in den vier Vertiefungen neben den beiden Bahnsteigen liegen noch gar keine Gleise. So ist es ein Betonmischer, der den Bahnhof quert. Es wird noch dauern, bis dort Züge fahren. Doch die Deutsche Bahn hat sich schon auf einen genauen Termin festgelegt: Am 28. Mai 2006 sollen die Tunnel-Arbeiten beendet und fünf S-Bahn-Stopps zu Fern- und Regionalbahnhöfen umgebaut sein – rechtzeitig zur Fußball-Weltmeisterschaft.
Der Tunnel ist zentraler Bestandteil der Bahn-Planungen für Berlin. Er macht den Lehrter Bahnhof, bislang bloß dem Namen nach Hauptbahnhof, aus einer Ost-West-Durchgangsstation zum wirklichen Knotenpunkt. Die weiteren S-Bahnhöfe im Umbau sind Papestraße, Potsdamer Platz, Gesundbrunnen und Lichterfelde-Ost.
Die komplette Nord-Süd-Verbindung zwischen Papestraße und Gesundbrunnen ist neun Kilometer lang, der Tunnel macht mit 3,4 Kilometern mehr als ein Drittel der Länge aus. Er verläuft zwischen Gleisdreick und dem Bereich Heidestraße.
Seit 1994 sind die Arbeiten an der Nord-Süd-Verbindung im Gange. Die Gesamtkosten sollen sich auf über drei Milliarden Euro belaufen. Der Deutschen Bahn zufolge ist der Tunnel zurzeit Deutschlands größte Baustelle. Allein am Lehrter Bahnhof seien 300 Bauarbeiter zugange.
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gibt sich trotz der Größe des Projekts zuversichtlich: „Ich bin mir sicher, dass die Bahn den Inbetriebnahme-Termin im Mai 2006 halten kann.“ Die Bahn klopft sich selbst auf die Schulter: Mit Hochdruck treibe man den Bau der neuen Verbindung voran, täglich sei der Baufortschritt zu beobachten.
Dieser Fortschritt ändert nichts daran, dass noch länger anstelle von Zügen Autos durch die Untergründe des Potsdamer Platzes fahren und schwäbische Touristinnen verwirren werden. Dabei sind Treppen und Bahnsteige betoniert und längst aus ihrer Verschalung heraus. Vielleicht ließe sich auch dort etwas etablieren, was über den Palast der Republik als „Zwischennutzung“ populär geworden ist. Das brächte etwas Leben in die gigantisch und leer anmutende Tiefe des Potsdamer Platzes. Der U-Bahn-Bau bietet ein Vorbild: Im Rohbau des U-Bahnhofs am Reichstag spielte vor der Bundestagswahl 2002 die Neuköllner Oper. STEFAN ALBERTI