: Bahn macht hü und hott
Die Bahn ist unberechenbar wie nie zuvor: Sie plant, zwei Drittel der neuen ICE-Verbindungen von Münster nach Frankfurt Flughafen zu streichen
VON NATALIE WIESMANN
Pendler müssen demnächst von Münster zum Frankfurter Flughafen erst wieder durchs gesamte Ruhrgebiet bummeln: Die Bahn überlegt, zwei Drittel der ICE-Verbindungen über Recklinghausen und Gelsenkirchen zu streichen. Dabei hatte sie gerade auf dieser Strecke vor 15 Monaten zum Ärger vieler Pendler die alten Interregios durch ICEs ersetzt.
Vor allem für Geschäftsleute mit dem Ziel Frankfurter Flughafen wurde eine Verbindung eingerichtet, die sie in nur zwei dreiviertel Stunden von Münster an den Main brachte. Ohne Bummelstrecke durchs gesamte Ruhrgebiet sparen Pendler seitdem über eine Stunde zum Airport. „Diese neue Verbindung ist für unseren Standort sehr wichtig“, sagt Joachim Brendel, Verkehrssprecher der IHK Nord Westfalen. In Münster könne sich niemand über die Fahrgastzahlenauf dieser Strecke beklagen. Er habe allerdings gehört, dass in Gelsenkirchen und Recklinghausen zu wenig Menschen zusteigen. Nichtsdestotrotz hält der Verkehrsexperte nichts von Streichungen nach nur 15 Monaten. „Immerhin haben wir auch das Marketing für den Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecke mitgetragen.“
Die NRW-Zweigstelle der Deutschen Bahn will sich öffentlich nicht auf die Streichungen festlegen lassen: „Wir denken aber tatsächlich darüber nach“, so Sprecher Frank Gassen-Wendler. Mehr möchte er zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht sagen. Nur so viel: „Die Auslastung spielt sich nicht im erwarteten Rahmen ab.“ Wie hoch oder niedrig diese Fahrgastzahlen seien, will er nicht sagen: „Wir werden hier keine Zahlen handeln, bevor Entscheidungen gefallen sind.“ Genau diese mangelnde Transparenz wirft IHK-Sprecher Joachim Brendel der Bahn vor: „Die müssen uns doch mal Auslastungszahlen präsentieren, bevor sie solche Entscheidungen treffen.“ Er selbst habe vergeblich Fahrgastzahlen angefragt.
„Das ist ja ein Ding“, reagiert Reinhold Hegemann, Pressesprecher der Stadt Recklinghausen, empört auf die Planungen der Bahn. Es sei höchst bedauerlich, wenn in Recklinghausen keine schnellen Züge mehr halten würden. Er glaube auch nicht, dass nur Geschäftsleute die Strecke nutzten. „Das sind unter anderem ganz normale Flughafengäste“. Es stelle sich die Frage, warum die Strecke Köln-Rhein/Main zur Rennstrecke ausgebaut wurde, wenn jetzt, nach solch einer kurzen Zeit, viele Großstädte wiede vom Netz abgehängt würden. „Die Deutsche Bahn soll endlich mal entscheiden, was sie will.“
Auch im krisengeschüttelten Gelsenkirchen versteht niemand, warum ihr Bahnhof vom Hochgeschwindigkeitsnetz abgekoppelt werden soll: „Wozu gestalten wir denn unseren unattraktiven Bahnhof neu?“, fragt sich Stadtsprecher Georg Oberkötter. Jede Ausdünnung des Schienennetzes wäre für die Stadt Gelsenkirchen „von großem Nachteil“.