Bahn-Teilprivatisierung: "Eine Chance wird vertan"
Die Deutsche Bahn AG wird auch nach einer Teilprivatisierung ein teurer Monopolist bleiben, sagt Volkswirt Kay Mitusch von der TU Berlin.
taz: Herr Mitusch, nach der Privatisierung soll die Bahn ein integrierter Konzern bleiben. Auf der Schiene wird es deshalb kaum mehr Wettbewerb geben. Welchem Zweck dient die Privatisierung dann?
Kay Mitusch: Das Management der Bahn und Teile der Politik wollen mit der Teilprivatisierung die jetzige Bahnstruktur zementieren und aus der Deutschen Bahn AG einen "European Champion" machen. Die Bahn AG soll zu einem international wettbewerbsfähigen Unternehmen werden, so wie es Volkswagen, SAP oder Siemens sind. Doch für Infrastrukturunternehmen gelten andere Regeln als für Firmen, die sich auf echten Wettbewerbsmärkten bewegen: Die Bahn AG verdient ihr Geld auf Grundlage eines Netzes und lebt vor allem von Steuergeldern.
KAY MITUSCH, 46, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der TU Berlin und Spezialist für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik.
Was unterscheidet die Eisenbahn von Wettbewerbsmärkten?
Der Besitzer eines Netzes - etwa im Bahn- oder Strommarkt - kann den Wettbewerb leicht zu seinen Gunsten verzerren: Konkurrenten werden diskriminiert, es werden zu hohe Preise verlangt und die eigenen Tochterfirmen begünstigt. Ich rechne deshalb damit, dass die Bahn bald versuchen wird, die Trassen- und Stationspreise zu erhöhen, was insbesondere die Wettbewerber träfe. Von ihnen stammt auch der latente Vorwurf, es gäbe Koppelgeschäfte zwischen DB Netz, DB Regio und Ländern. Es ist allerdings schwer zu beweisen und schwer zu widerlegen, ob etwa vom Bund finanzierte Investitionen ins Schienennetz gegen Nahverkehrs-Bestellungen eines Landes getauscht werden. Konkurrenten der Bahn AG bleiben unter solchen Bedingungen dauerhaft Underdogs.
Was müsste getan werden, wenn man bei einem Verkauf der Bahn AG für mehr Wettbewerb sorgen wollte?
Vor allem wäre es nötig, die Infrastruktur strikt von den Transportsparten der Bahn AG zu trennen. Wie ursprünglich geplant, sollten die Verkehrssparten wie DB Regio und DB Railion auch untereinander getrennt privatisiert werden, denn es gibt keinen Grund, weshalb Personen- und Güterverkehr in einem Unternehmen zusammenbleiben müssten. Rechtlich wäre das kein Problem, politisch ist das aber nicht erwünscht.
Trotz der Privatisierung wird die Bahn AG dauerhaft auf massive öffentliche Zuschüsse angewiesen bleiben.
Die Hoffnung, dass die Bahn in Zukunft weniger Steuergelder benötigt, wird sich in der Tat nicht erfüllen. Denn wenn die geplanten Mittel für die Instandhaltung nicht ausreichen, dann müsste die Bahn AG auf Kosten des Gewinns ihrer Investoren Geld nachschießen. Bevor sie das tut, geht sie lieber beim Bund betteln. Ich glaube deshalb, dass der Bund auch in Zukunft immer wieder Geld nachschießen wird. Die Chance, im Schienenpersonennahverkehr durch mehr Wettbewerb Steuergelder einzusparen, wird jedenfalls jetzt vertan.
Wie wird denn die Privatisierung die Bahn in Zukunft verändern?
Meine Prognose ist, dass sich nicht viel ändern wird. Die Bahn wird mächtig bleiben und wenig Anreize haben, Einsparungen zu realisieren, von denen alle etwas haben. Es wird wohl weiter etwas Personal abgebaut, um Kosten zu sparen. Unterm Strich wird die Bahn jedoch ein überteuertes und wettbewerbsfernes System bleiben.
INTERVIEW: TARIK AHMIA
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