Bahn-Tarifstreit: "Verlierer wird die Bahn sein"
Ein kurzer Streik wäre für die Wirtschaft zu verkraften, sagt der Verkehrsexperte Stefan Rommerskirchen.
taz: Herr Rommerskirchen, die deutsche Industrie warnt für den Fall eines Bahnstreiks vor einem "Stillstand". Ist diese Sorge berechtigt?
Stefan Rommerskirchen: Das halte ich für überzogen. Solange der Streik nur einzelne Tage umfasst, werden die Auswirkungen begrenzt bleiben. Trotz der momentan hohen Auslastung sollte der Logistiksektor flexibel genug sein, sich auf kurzfristige Störungen einzustellen.
Welche Reaktion erwarten Sie?
Die Bahn transportiert viele Massengüter, bei denen es nicht auf einen einzelnen Tag ankommt. Was nicht unbedingt transportiert werden muss, wird an einem Streiktag eben nicht bewegt. Und für die dringenden Transporte werden Alternativen gesucht.
Wie können die aussehen?
Zum einen streikt nur ein Teil der Lokführer, so dass nicht alle Züge ausfallen sollten. In begrenztem Maß gibt es zudem die Möglichkeit, auf Lastwagen auszuweichen. Oder auf Schienenkonkurrenten der Bahn wie die Schweizer SBB, die nur darauf warten zu zeigen, was sie leisten können. Schließlich ist der Güterverkehr schon recht liberalisiert. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Strecken nicht blockiert werden. Aber damit ist nach den Erfahrungen beim Streik im Personenverkehr ja nicht zu rechnen.
Was ist mit solchen Betrieben, die auf Just-in-time-Lieferung angewiesen sind?
Wer an verschiedenen Standorten arbeitet und die eigenen Lager abgebaut hat, ist dadurch natürlich besonders verletzlich geworden. Wer keine 24 Stunden auf eine Lieferung warten kann, ist schon in starkem Maße von den Logistikdienstleistern abhängig.
Was würde es volkswirtschaftlich gesehen bedeuten, wenn sich ein Streik länger hinzieht?
Das hängt ganz stark von der genauen Strategie der Gewerkschaft ab. Es macht einen großen Unterschied, ob immer nur an einzelnen Tagen gestreikt wird oder mehrere Tage am Stück. Seriöse Vorhersagen sind darum kaum möglich.
Wird der Streik insgesamt zu Verschiebungen im Verkehrssektor führen?
Ich glaube nicht, dass Firmen wegen eines einmaligen Streiks dauerhaft von der Bahn auf den Lkw umsteigen. Viel schlimmer ist der Imageverlust: Wenn die Bahn den Streik nicht schnell in den Griff kriegt, leidet natürlich der Ruf ihrer Güterverkehrstochter Railion. Darauf warten die Konkurrenten auf der Schiene nur, beispielsweise die Schweizer Bahn. Darum wird der größte Verlierer eines Streiks nicht die Wirtschaft insgesamt sein, sondern die Deutsche Bahn.
INTERVIEW: MALTE KREUTZFELDT
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