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Archiv-Artikel

Bagdad, eine heimgesuchte Stadt

Als „Stadt des Friedens“ wurde Iraks Hauptstadt einst gegründet. Ihre Geschichte ist jedoch eine von Fluten, Pest und Kriegen. Manche fürchten auch jetzt wieder ein Gemetzel

AMMAN taz ■ Als Madinet al-Salam, als „Stadt des Friedens“, bezeichnete Kalif Abu Jaafar al-Mansur seine von ihm im 7. Jahrhundert neu geschaffene Siedlung, die später als Bagdad bekannt werden sollte. Sein Wunsch ging nicht in Erfüllung. Die Geschichte der größten arabischen Stadt Vorderasiens ist eine Geschichte von Fluten, Pest und immer wiederkehrenden Kriegen.

Als die Mongolen vor 1258 vor den Stadttoren standen, zahlten die Menschen den Fährschiffern Wucherpreise, damit sie an das vermeintlich rettende andere Ufer und ins Innere der Stadtmauern gebracht würden. Es war eine trügerische Sicherheit. Halagu, der Sohn Dschingis Khans, ließ die Stadt dem Erdboden gleichmachen und richtete ein Blutbad an. Zwischen 800.000 und zwei Millionen Opfer zählen die Chroniken. Auch das glänzende intellektuelle Leben der Stadt, in der Avantgarde-Dichter die klassischen Formen der arabischen Poesie über Bord warfen, in religiösen Debatten der freie Wille des Menschen postuliert wurde und viele wichtige Texte ins Arabische übersetzt wurden, wurde ausgelöscht. Mit den aus den Bibliotheken geraubten Büchern sollen die Mongolen Furten über den Tigris angelegt haben.

Anders als ihre Vorfahren, die Schutz in der Stadt suchten, bemühen sich jetzt viele der fünf Millionen Einwohner Bagdads die Stadt zu verlassen. Sie wollen nicht ein Teil dessen sein, was das irakische Regime als das „irakische Stalingrad“ angekündigt hat.

Drei Brigaden der Spezial-Republikanergarde, Saddam Husseins Prätorianergarde sind in und um die Stadt stationiert. Die Elitetruppe soll nicht nur die Amerikaner in einen mörderischen Straßenkampf verwickeln, sondern auch die eigene Bevölkerung, deren Loyalität als alles andere als gesichert gilt, in Schach halten. Aber auch für massive Bombardements hat sich das Regime etwas ausgedacht. Augenzeugen berichten, dass rund um die Stadt Gräben gezogen und mit Wasser gefüllt wurden. Daneben wurden riesige Öltanks eingegraben. Im Ernstfall können die Tanks aufgedreht werden. Das Wasser trägt das Öl schnell weiter und kann angezündet werden. Die daraus resultierende starke Rauch- und Hitzeentwicklung soll die US-Hightech-Präzisionsbomben in die Irre leiten.

Neben militärischen Installationen, Regierungsgebäuden, Einrichtungen der Baath-Partei und der Geheimdienste sind Saddam Husseins Paläste in die Zielkoordinaten der US-Bomber eingegeben. Einer der militärischen US-Prioritäten dürfte auch die Zerstörung jeglicher Kommunikationseinrichtungen sein. Dazu gehört auch der moderne Fernsehturm, für die Iraker ein Symbol für den Wiederaufbau nach dem letzten Golfkrieg 1991, bei dem die gesamte Infrastruktur und die Tigrisbrücken zerbombt worden waren.

In Bagdad sind militärische Einrichtungen und Wohngebiete eng miteinander verwoben. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Truppen nicht in den Kasernen darauf warten, weggebombt zu werden, sondern sich überall in der Stadt verteilen. Angeblich sollen viele Teile der Stadt bereits vermint worden sein, für den Fall, dass US-Truppen und -Panzer einrücken. Erwartet wird auch, dass die Stadt abgeriegelt wird, denn ohne Zivilbevölkerung fehlt dem Regime der nötige Schutz.

Als besonders blutig könnte sich aber eine Entwicklung innerhalb der Stadt erweisen. In Saddam City, einem völlig vernachlässigten Viertel im Norden, leben ein Viertel der Einwohner. Die ansonsten allgegenwärtigen Bilder Saddam Husseins sind hier selten. Wie fast alle Bewohner der Stadt haben die Menschen ein großes Arsenal privater Waffen. Manche haben bereits angedeutet, bei der ersten Bombardierung gegen die Vertreter des Regimes vorzugehen.

Aber die sind vorbereitet. Die Ausfahrtstraßen dieses Viertels können innerhalb weniger Minuten abgeriegelt werden. Dort wurde bereits in den letzten Wochen die militärische Präsenz verstärkt. Es ist nicht auszuschließen, dass das Regime bei den ersten Anzeichen eines Aufstands auch mit schwerer Artillerie gegen Saddam City vorgeht. Bagdad könnte der Schauplatz eines furchtbaren Gemetzel werden. KARIM EL-GAWHARY