piwik no script img

■ WühltischBäder einer Ausstellung

Weiche Rundungen und sanft geschwungene Linien, die Orientierung auf den menschlichen Körper ist unübersehbar. Bei Katalognummer 59 ist die Linienführung feminin, die Farbe indischelfenbein. Die Exponate sind behutsam gestellt, ursprünglicher Zweck und Ausstellungscharakter spielen unaufdringlich zusammen. Die Barockabteilung wirkt schwer geträumt. Wanne auf freistehenden Löwentatzen, kontrastiert mit schwülstigen Kreuzgriffen aus Messing. Ein Raum weiter Aloha zum Fortträumen, sowohl als Rund- wie als Ecklösung. Am Ende des Saales endlich der Whirlpool Arcadia – Bad goes Art.

Wir befinden uns in einer Fachausstellung für Bad- und Sanitäranlagen, eine Branche feiert ihre Artenvielfalt. Ach, wenn Joseph Beuys das noch gesehen hätte. Statt dessen nun die Prunkaskese eines Philippe Starck, kleine Wanne, ökologisch einwandfrei, weil wassersparend. Anthroposophisch geriert sich die Armaturenkollektion „Waldorf“. Der Handtuchring sieht aus wie ein Handtuchring, der Papierhalter wie ein Papierhalter, allein die Einlochbatterie ist robust wie ein Haltegriff im Eisenbahnwaggon. „Erlebnisraum Bad“ tönen die Vierfarbenprospekte. „Das Badezimmer mausert sich zur guten Stube“, hat auch ein Kollege der Zeitung für Deutschland herausgefunden. Düker, Keramag, Bette und andere beenden ein dunkles Kapitel europäischer Zivilisation. Ihre Bäder sind der vorläufige Höhepunkt einer Abkehr vom Prinzip der Abwaschung und der Hinwendung zur totalen Regeneration. Der Untergang des schnellen Brausebades steht bevor. Kaum ein Duschkopf, der nicht auch massieren könnte, wohin man tritt: Whirlpool-Düsen. Auf zwölf Quadratmetern Platz für Urlaub, Sex und lange Weile, oder doch die Ahnung von dergleichen.

Dabei war die Geschichte des Bades seit der Renaissance eine des Niedergangs. Im 17. und 18. Jahrhundert, stellt Siegfried Giedion fest, kam es fast zu „einem Vergessen der Körperpflege... Es [das Zeitalter, H.N.] verfügte über ein sublimiertes Raumgefühl, eine hochgezüchtete Musik und scharfes, systematisches Denken. Es kannte die Verfeinerung des Lebens. Aber es machte plötzlich halt, wenn es sich um die Pflege des Gefäßes handelt, das diese Dinge zusammenhält: den Körper.“ In der Antike und im Islam, ja sogar im Mittelalter zählte die Körperpflege zu den unabweisbaren Pflichten der Gesellschaft. Römische Thermen, türkisches hammam und russisches Dampfbad waren zugleich soziale Institutionen der körperlichen Reinigung und der Geselligkeit. In der Nachfolgezeit von Reformation und Gegenreformation wird die Abwaschung privatisiert. Nacktheit ist fortan Sünde.

Man spürt's noch in den Prospekten für die postmoderne Happening-Baderei. In einer Düker-Bad-Anzeige zum Beispiel bedeckt sich eine Badende im Rundpool schamhaft ihre Brust mit einem Badeschwamm. Das Erlebnis Badezimmer findet vorerst also im Museum statt, oder können Sie sich vorstellen, Ihre Freunde zu Champagner und Salzstangen in Ihr teures Emailgefäß einzuladen? Man erkennt es auch an der Preispolitik, die ebenfalls der art world verpflichtet zu sein scheint. Abweichungen vom Normalmaß kosten ein Vielfaches. Was den Körper als Sünde angeht, kann freilich Entwarnung gegeben werden. In den öffentlichen Saunen begegnet man vornehmlich nach Feierabend gemischten Bürobesetzungen, die sich über Ozonloch, Surfen und Urlaub auf der Dominikanischen Republik austauschen. Sexuelle Belästigungen mag es am Arbeitsplatz geben, in der Sauna eher nicht. Harry Nutt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen