Baden-Württemberg korrigiert CO2-Ziele: Atomausstieg bremst Grün-Rot
Baden-Württembergs Landesregierung will die CO2-Emissionen bis 2020 um ein Viertel senken. Das ist weniger, als Schwarz-Gelb plante. Umweltschützer finden das "ehrlich".
STUTTGART taz | Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller ahnte schon die Schlagzeilen. "Ich finde, das ist erklärungsbedürftig", sagte der Grünen-Politiker, als er am Dienstag in Stuttgart die Eckpunkte seines Klimaschutzgesetzes vorstellte. "Das" sieht so aus: Mit ihrem Minderungsziel für Treibhausgase bis zum Jahr 2020 unterbietet die grün geführte Regierung sogar ihre schwarz-gelbe Vorgängerregierung. Untersteller findet seine Ziele trotzdem ambitioniert.
Baden-Württemberg ist nach Nordrhein-Westfalen das zweite Bundesland, das den Klimaschutz überhaupt in Gesetzesform gießen wird. "Wir wollen dem Klimaschutz einen höheren Stellenwert geben", sagte Untersteller. Als Ziel hat sich Grün-Rot gesetzt, den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) bis zum Jahr 2020 um 25 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.
Bis 2050 sollen die Emissionen um 90 Prozent sinken. "Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel", betonte Untersteller. Zwar hatte sich die Vorgängerregierung aus CDU und FDP vorgenommen, den Ausstoß bis 2020 um 30 Prozent zu senken - "allerdings unter völlig anderen Rahmenbedingungen".
Anders vor allem deshalb, weil die Bundesregierung im vergangenen Jahr den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen hat. Davon ist Baden-Württemberg mit einem Atomstrom-Anteil von gut 50 Prozent besonders stark betroffen. Die schwarz-gelbe Landesregierung war bis dato noch von einer längeren Laufzeit ausgegangen und habe den CO2-Ausstoß mit Atomkraft senken wollen, argumentiert Untersteller.
Erneuerbare Energien auf 38 Prozent erhöhen
Den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion wollte Schwarz-Gelb lediglich auf 20 Prozent erhöhen, obwohl er schon heute bei 17 Prozent liegt. Grün-Rot hat sich nun vorgenommen, diesen Anteil auf 38 Prozent zu erhöhen.
Aufbauend auf den Eckpunkten des Klimaschutzgesetzes verabschiedete das Kabinett auch ein integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept. Es soll konkretisieren, mit welchen Maßnahmen die Ziele erreicht werden sollen. Als Beispiele nannte Untersteller Förderprogramme für eine höhere Energieeffizienz sowie für die energetische Gebäudesanierung.
Außerdem wurden in dem Konzept konkrete Ziele festgelegt, um wie viel die einzelnen Sektoren ihre Treibhausgase mindern sollen. So sollen etwa die privaten Haushalte 20 bis 28 Prozent CO2 einsparen und der Verkehrssektor 20 bis 25 Prozent.
Diskussion über das Minderungsziel
Für Diskussionsstoff sorgte letztlich aber vor allem das CO2-Minderungsziel bis 2020. "Das ist enttäuschend", sagte der energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Paul Nemeth, prompt. Das Land dürfe "die Ziele des Klimaschutzes nicht leichtfertig aufgeben".
Hingegen sagte der Geschäftsführer der Umweltorganisation BUND, Berthold Fried: "Das ist eine absolut ehrliche Zahl." Selbstverständlich werde es eine Delle durch den Atomausstieg geben. "Trotzdem wird sich der Ausstieg langfristig als Beschleuniger für den Klimaschutz erweisen."
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