Kritik an Baden-Würtembergs Klimazielen: Greenpeace widerspricht Grün-Rot
Der Atomausstieg ist nicht schuld an Baden-Württembergs wenig ambitionierten Vorgaben zur CO2-Reduktion. Der Ausstoß ist durch europaweiten Emissionshandel gedeckelt.

Und wenn es noch so raucht: Es wird kein neues Budget für Kohlendioxid geben. Bild: dpa
STUTTGART taz | Als im vergangenen Jahr der Ausstieg aus der Atomkraft diskutiert wurde, war der Klimaschutz ein beliebtes Argument. Der Energiekonzern EnBW etwa betitelte die Atomkraftwerke in einer Anzeigenkampagne als die "ungeliebten Klimaschützer". Mit längeren Laufzeiten könnten Millionen an Tonnen Kohlendioxid eingespart werden, behaupteten AKW-Fans.
Ausgerechnet die grün geführte Landesregierung Baden-Württembergs scheint ihnen nun auf den ersten Blick recht zu geben. Am Dienstag hatte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) die Eckpunkte seines Klimaschutzgesetzes vorgestellt. Dabei überraschte er mit einem niedrigeren CO2-Minderungsziel als die schwarz-gelbe Vorgängerregierung. Diese wollte den Ausstoß der Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um 30 Prozent senken, die neue grün-rote Regierung nun um 25 Prozent.
Untersteller begründete dies mit dem Atomausstieg, der Baden-Württemberg besonders treffe. Im Südwesten beträgt der Anteil des Atomstroms bislang gut 50 Prozent. Den Ausstieg aus der Atomkraft müssten nun kurzfristig die fossilen Kraftwerke ausgleichen – und die produzieren mehr CO2. Hatten die Atomfans also recht?
Nein, sagt der Klimaschutz-Experte von Greenpeace, Martin Kaiser. Denn der CO2-Ausstoß sei durch den europaweiten Emissionshandel gedeckelt. Außerdem hätten sich die erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren stets besser entwickelt als erwartet.
"Nicht nachvollziehbar"
"Darum ist es nicht nachvollziehbar, warum Baden-Württemberg so konservativ an die Sache geht." Selbst Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte im Zuge des Atomausstiegs mit dem Emissionshandel argumentiert. "Es wird kein neues CO2-Budget für Deutschland geben", sagte er.
Dem Argument stimmt das baden-württembergische Umweltministerium im Prinzip zu. "Die Bilanz bleibt gleich", sagte ein Sprecher. "Es ist ja ein Handel. Dann muss Baden-Württemberg eben mehr Zertifikate kaufen" – und andere entsprechend weniger.
In diesem Zusammenhang weist Kaiser auf ein anderes Problem: den derzeit niedrigen CO2-Preis. "Der Preis ist eines der größten Probleme, da er keine Anreize für den Klimaschutz setzt und keine Investitionssicherheit gibt." Deshalb sei es insgesamt in Europa wichtig, die bisherigen Klimaziele zu verschärfen. "Nur ambitionierte Ziele bringen Dynamik in die Wirtschaft."
Leser*innenkommentare
Turing
Gast
Weil man in Deutschland das Gehirn lieber an der Garderobe abgibt. Es gibt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Unpopularität von Naturwissenschaften und des Erfolges von Greenpeace. Greenpeace rekrutiert seine Anhänger vor allem bei Menschen, die mit der Naturwissenschaft auf dem Kriegsfuß stehen.
Tim
Gast
Um Gottes willen ... Ich glaube, Greenpeace hat das Prinzip des Emissionshandels nicht begriffen. Warum müssen wir die Fahne des Umweltschutzes ausgerechnet von diesen Leuten tragen lassen?