: „Bad Land“ für alte Schulden
In den Reaktionen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein zur geplanten Schuldenbremse spiegelt sich die unterschiedliche Kraft der beiden Länder. Altschuldenfonds als mögliche Lösung
VON GERNOT KNÖDLER
Die „Schuldenbremse“, wie sie die Föderalismuskommission des Bundes und der Länder vorgeschlagen hat, wird von den meisten Parteien im schleswig-holsteinischen abgelehnt. Das bisherige Verhandlungsergebnis sei „völlig unvereinbar mit den Interessen des Landes“, kommentierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner. Das besser situierte Niedersachsen würde dagegen die Schuldenbremse früher und schärfer anziehen. Ob die geplante Regelung für die Altschulden der Länder ausreicht, wird aber auch hier skeptisch beurteilt. Immer wieder taucht die Idee auf, einen Altschuldenfonds zu gründen – eine Art „Bad Land“ analog zur Bad Bank für faule Kredite. Damit könnten faire Ausgangsbedingungen geschaffen werden.
Die Föderalismuskommission hatte am Donnerstagabend vorgeschlagen, eine Schuldenbremse in das Grundgesetz aufzunehmen. Demnach sollten die Länder spätestens 2020 keine neuen Schulden mehr machen dürfen, außer in Notlagen. Besonders stark verschuldete Länder wie Bremen und Schleswig-Holstein sollen „Zinshilfen“ erhalten, um ihren Schuldenberg abtragen zu können.
Im Falle Schleswig-Holsteins ergäbe dieser Betrag für die Jahre 2011 bis 2019 eine Summe von insgesamt 720 Millionen Euro. „Ich freue mich, dass die Notwendigkeit von Konsolidierungshilfen im Grundsatz anerkannt wurde“, sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, der einer schwarz-roten Regierung vorsteht. Das Ziel „Null Neuverschuldung“, werde mit dieser Summe aber schwer zu erreichen sein. Er werde daher in der Föderalismuskommission für Nachbesserungen werben, sagte Carstensen.
„Damit würde Carstensen der Erdrosselung des Landes zustimmen“, kommentierte Karl-Martin Hentschel, Chef der grünen Landtagsfraktion. Zwar sei eine verbindliche Schuldenbremse richtig. Schleswig-Holstein dürfe aber nur zustimmen, wenn eine Altschuldenregelung gefunden werde, die dem Land die Luft zum Atmen lasse.
Übereinstimmend sehen Landespolitiker das „strukturelle Defizit“ des Haushalts bei 500 - bis 600 Millionen Euro. Dafür verantwortlich seien zum einen die Zinsen für die eine Milliarde Altschulden, die Kiel bei einem Haushaltsvolumen von sieben Milliarden Euro aufgetürmt hat. Das Land mit einem Haushaltsvolumen von rund sieben Milliarden Euro bezahlt rund eine Milliarde Euro pro Jahr an Zinsen. Für den anderen Teil sei die schwachbrüstige Wirtschaft des Landes verantwortlich.
Stegner zufolge hat Schleswig-Holstein bei den Verhandlungen Zinshilfen von 260 Millionen Euro gefordert. Mit 80 Millionen Euro im Jahr sei das angestrebte Ziel „objektiv nicht zu schaffen“. Selbst die FDP stimmt Stegner zu. „Es sind gegenwärtig keine Maßnahmen der Großen Koalition erkennbar, dieses strukturelle Einnahmedefizit zu beseitigen“, erklärte Fraktionschef Wolfgang Kubicki. „Weitergehende Leistungseinschränkungen des öffentlichen Dienstes wären unverantwortlich.“
Um das Problem zu lösen, hätte Stegner „am liebsten einen Altschuldenfonds“. FDP und Grüne sehen das ähnlich. Ohne die Altschulden hätte die bis 2005 regierende rot-grüne Koalition das Ziel, keine neuen Schulden zu machen erreicht, behauptet Hentschel von den Grünen.
In dem Fonds könnten alle alten Schulden des Bundes, der Länder und eventuell auch der Kommunen gesammelt und nach einem zu definierenden Verfahren abgebaut werden. Hentschel schlägt vor, den Solidarzuschlag zu verlängern und die Summe damit zu tilgen.
Sein Fraktionskollege aus Hannover, Hans-Jürgen Klein, könnte sich das ebenfalls vorstellen. „Die jetzt vorgesehenen Zinshilfen reichen nicht aus“, sagt der Oppositionsabgeordnete. Mit der regierenden CDU ist er allerdings einig, dass Niedersachsen versuchen sollten, schon vor 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen.
CDU-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Althusmann steht einem Altschuldenfonds skeptisch gegenüber. „Die Verantwortung für die Vergangenheit auslagern zu wollen, ist sicher der leichtere Weg“, sagt er.