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Archiv-Artikel

BVG buddelt fürs Bimmelbähnchen

Mit reichlich Hightech à la Erdreichvereisung und Drucklufteinsatz will die BVG doch noch eine Miniversion der Kanzlerbahn U 5 fertig stellen: die U 55. Pünktlich zur WM 2006 sollen erste Züge fahren. Pech für 21 alte Linden, die dran glauben müssen

„Es wird ernst für die BVG und für Berlin“, sagt BVG-Vorstand Thomas Necker

VON FLORIAN HÖHNE

„Diese Woche wird es ernst für die BVG“, sagte BVG-Vorstandsmitglied Thomas Necker und macht eine bedeutungsschwere Pause. Das Buletten-Mümmeln und Mineralwasser-Schlürfen verstummen für kurze Momente. Es riecht nach frisch getrocknetem Beton, Baustelle – und Buletten. „Es wird ernst für die BVG und für Berlin“, fährt Necker fort im unfertigen BVG-Info-Point Unter den Linden, direkt am Pariser Platz. „Es wird ernst mit den Baumaßnahmen für die U 5: Mittwoch beginnen der Vorbereitungen.“ Und die U 5 sei das Herzstück des U-Bahn-Netzes. Die U 5 sei die Ost-West-Verbindung im U-Bahn-Netz. Die U 5.

Fertig gestellt werden soll zunächst aber nicht die ganze „Kanzlerbahn“ U 5, sondern nur die kleine Schwester der U 5, das U 5chen: die U 55. Die Tunnel unterm Regierungsviertel sind lange fertig – blieben aber Rohbau, weil Klaus Wowereit 2001 das Bauprojekt aus Kostengründen stoppte. Pünktlich zur Fußball-WM 2006 sollen nun doch U-Bahn-Züge durch diesen 1,8 Kilometer langen Tunnel zwischen Lehrter Stadtbahnhof, U-Bahnhof Reichstag und dem neu zu bauenden U-Bahnhof Brandenburger Tor fahren. Im Zehn-Minuten-Takt. So wird die kürzeste U-Bahn Berlins – die U 4 hat fünf Stationen – WM-Gästen ermöglichen, vom Brandenburger Tor zum Lehrter Bahnhof zu kommen, ohne etwa das Kanzleramt sehen zu müssen. Das Shuttleprojekt kostet 28 Millionen Euro, den Großteil trägt der Bund. Spätestens ab 2010 soll die Strecke bis zum Alex verlängert werden.

Ernst wird es nicht nur für Berlin, die BVG und die U 55, sondern auch für 29 Bäume. Wenn Mittwoch die Bauvorbereitungsmaßnahmen für den Bahnhof Brandenburger Tor – übrigens Berlins 171. U-Bahnhof – beginnen, dann ist Unter den Linden weniger Platz für das namensgebende Grünzeug: Acht junge Linden ziehen um in die Betriebswerkstatt Britz. Weitere 21 müssen gefällt werden. „Wir hätten auch diese Bäume gern verpflanzt“, sagt Andreas Graf von Arnim, Vorstandsvorsitzender der BVG, mit ernster Miene. „Aber sie waren leider zu alt oder zu groß.“ Man guckt betreten.

Mit Wundern moderner Technik und moderner PR wird versucht, darüber hinwegzutrösten. Man werde Straßenwahlkampf machen für diese emissionsfreie Baustelle, verkündet von Armin freudig und redet sich in Fahrt: Hier in diesem Raum direkt am Pariser Platz werde man einen Info-Point einrichten, in dem man sich über den Baufortschritt informieren kann. „Touristen werden hier Fahrkarten kaufen können“, sagt von Arnim und macht eine kurze Pause. „Nicht nur Touristen, auch Berliner werden hier Fahrkarten kaufen können.“ Glückliche Berliner.

„Der Pariser Platz ist ja die gute Stube Berlins“, erklärt von Arnim. Deshalb habe die BVG sich bemüht, die Baustelle Pariser-Platz-fähig zu planen. Was genau das heißt, erklärt der Herr der U-Bahnen, Wolfgang Predl. Die Bautätigkeiten werden unterirdisch stattfinden, ganz ohne offenes Loch. Der Grundwasserspiegel sei sehr hoch, erklärt der braun gebrannte U-Bahn-Chef und tippt mit einem Teleskopzeigestab auf eine Querschnittzeichnung des Geländes. „Zuerst werden deshalb östlich und westlich der Wilhelmstraße Schlitzwände ins Erdreich gefräst. Diese Schlitzwälle bilden dann die äußere Wand der unterirdischen Baugrube und halten das Grundwasser ab“, erklärt Predl und weckt Erinnerungen an gefürchtete Mathelehrer. „Auf die Schlitzwände kommt ein Deckel.“ Um das Eindringen von Grundwasser von unten zu verhindern, werde der entstandene Raum unter Druckluft gesetzt. Unter dem Deckel würde dann die Baugrube ausgehoben.

Die drei Tunnel für Bahnhof und Gleise wolle man mit Vereisungstechnik graben: „Das umliegende Erdreich wird vereist, ein Sand-Eis-Mantel hält dann das Grundwasser ab.“

Eine Journalistin fragt interessiert, womit man denn vereisen wolle. Predl schweigt ratlos. Von Arnim sagt: „Vielleicht mit flüssigem Stickstoff.“ Dann erklärt eine Expertin das Verfahren. Wie es genau geht, kann man sich später vielleicht anschauen: „Möglicherweise werden wir eine Videoübertragung aus der Baugrube in den Info-Point installieren“, sagt Predl.

2006 soll eröffnet werden. „Bis dahin werden wir uns hier noch öfter sehen“, kündigt BVG-Chef von Armin an. Danach geht es raus auf die Straße – zum Gruppenfoto mit Harry Schotter. Harry ist ein freundlich lächelnder Playmobil-Bauarbeiter, der auf BVG-Baustellen hinweist. Jetzt steht der Spielzeugmann also auch am Pariser Platz.