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BUNSENBRENNERDoktorhut für Knoblauchzehen

■ Die Königin der Volks-heilkunde gerät in die Mühlen der Wissenschaft

Knoblauch, Du „stinkende Rose“, viertausend Jahre lang lebtest Du im Kräutergärtlein, wirktest als Wundermittel für mancherlei Gebrechen körperlicher und seelischer Art. Nun naht das Ende Deiner Mystik. Die modernen Mediziner wollen Deiner magischen Wirkung auf den Grund gehen. Seriöse Wissenschaftler sind es, die sich zur ersten internationalen Knoblauchkonferenz in Washington versammelten, eine Lobeshymne auf Dich sangen, um Dich anschließend zu zerpflücken.

Ein jeder wußte von Deinen Kräften, die Du in Versuchstieren walten läßt, zu berichten: Du unterdrückst die Cholesterinsynthese, verhinderst die Bildung von Blutgerinnseln und beugst damit gegen Herzinfarkt vor. Du kannst die Bildung von Krebszellen einschränken, das Immunsystem stärken und den Leib gegen Umweltgifte feien.

Nicht mindere Wissenschaftler als Angehörige des amerikanischen „National Cancer Institute“ schwärmten: In bestimmten Regionen Chinas und Italiens, wo Du und Deine Verwandten — Lauch und Zwiebeln — in großen Mengen genossen wirst, ist die Magenkrebsrate nur halb so hoch wie in Vergleichsregionen, wo Du verschmäht wirst. Je mehr Du die Mahlzeiten zierst, desto besser. Gesund erhälst Du jene Chinesen, die mindestens fünf Deiner Zehen täglich verzehren. Und daß, obwohl auch Klagen kamen: Üblen Körpergeruch, Blähungen und Sodbrennen, verursachst Du, Du alte Stinkerin.

Nun soll es Dir, Du Jahrtausende alte Königin der Volksheilkunde, an den Kragen gehen. Deine schlichte, in mattweiße, knisternde Schale gekleidete Ganzheit soll zerlegt, seziert und ausgepreßt, Deine Extrakte analysiert, destilliert und chromatographiert werden. 200 verschiedene, biologische Substanzen birgst Du in Deinen appetitlichen Rundungen, sagen die Mediziner. Jede einzelne soll auf ihre Wirkung untersucht werden.

Hör nur, wie profan die Sprache derjenigen ist, die Dir zu Leibe rücken. Michael Wargovich zum Beispiel: „Diallylsulfid, ein Bestandteil des Knoblauchs, ist eines der aktivsten bekannten chemopräventiven Agenzien.“ Den gemeinen Laborratten hat er Dich vorgeworfen, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen.

Und höre nur, wie furchtsam sie sind, diese Majestätsbeleidiger. Wegen toxischer Begleiterscheinungen soll nicht ein jeder, jederzeit und für jede Krankheit zur selbstverschriebenen Knoblauchkur greifen. Sie haben Angst vor den Rechtsanwälten, die im Schatten eines jeden Patienten lauern. Erst wollen sie Deine Wirksamkeit „wissenschaftlich“ beweisen. Als ob Du das nötig hättest! san

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