BUNDESWEHRREFORM: AUS AMATEUREN WERDEN SOLDATEN: Rot-Grün zieht in den Krieg
Krieg ist ein hässliches Wort. Für seinen Gebrauch gilt: Wer in der deutschen Politik ernst genommen werden will, vermeidet tunlichst, es in einem Atemzug mit der Bundeswehr zu nennen. Nun sind am Wochenende die Vorschläge der Kommission für eine Reform der Bundeswehr bekannt geworden. Das K-Wort taucht darin nicht auf. Auch ansonsten traut sich fast niemand aus dem politischen Establishment auszusprechen, was der Vorschlag der Kommission im Kern bedeutet: Deutschland wird kriegsfähiger.
Gewiss, Krieg buchstabiert sich jetzt neu: Krisenbewältigung heißt der militärpolitisch korrekte Ausdruck. 140.000 Soldaten sollen dafür zur Verfügung stehen, nahezu eine Verdreifachung der jetzigen Krisenreaktionskräfte. Die Zahl ist ein Signal: Der vorgeschlagene Anteil von 30.000 Wehrpflichtigen fällt kaum noch ins Gewicht. Folgt die rot-grüne Bundesregierung den Empfehlungen, bedeutet dies das Ende einer Armee, die in der Kaserne sitzt und weiß, dass der Russe eh nicht kommt. Die neue Bundeswehr wird Werkzeug sein – immer bereit zum nächsten Einsatz.
Ausgerechnet die Grünen begrüßen die Vorschläge. Sie sehen sie als ersten Schritt zu einer Abschaffung der Wehrpflicht und einem Abbau der Truppenstärke. Doch es irrt, wer glaubt, Deutschland sei umso weniger kriegsfähig und -bereit, je kleiner seine Armee sei. Während viele Linke hinter der Wehrpflichtigenarmee nur einen militärischen Fetisch sehen, hielt der hohe Anteil von Wehrpflichtigen bisher die Politik von allzu groß angelegten Militäreinsätzen ab: Amateure in den Krieg zu schicken, kommt beim Wähler schlecht an. Sinkt der Anteil der Wehrpflichtigen, wird die Bundesrepublik nicht friedlicher, sondern konfliktfreudiger.
Rot-Grün entscheidet also über einen radikalen Schritt. Während des Kalten Krieges gründeten Bundeswehr und Nato ihre Legitimität auf ein Versprechen, das auch Kritiker von links nie wirklich entkräften konnten: Beide wollten verteidigen, nicht angreifen. Die Nato hat sich schon vor einiger Zeit von dieser Selbstbeschränkung verabschiedet, die Bundeswehr ist gerade dabei – auch wenn von „eingreifen“ statt „angreifen“ die Rede ist.
Befürworter einer Profiarmee, darunter die Grünen, beschwichtigen: Ausschlaggebend sei der politische Auftrag der Soldaten. Doch gerade darin liegt die Gefahr. Existiert erst einmal eine Interventionsarmee, werden die Gegner von Militäreinsätzen stets in der Defensive sein. Warum Krisenreaktionskräfte eingesetzt werden sollten, lässt sich dann mit einem ebenso einfachen wie allzwecktauglichen Argument rechtfertigen: weil sie dazu da sind. Die Reform, so steht zu befürchten, bedeutet weniger Soldaten, aber mehr Krieg. PATRIK SCHWARZ
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