BUNDESLIGA: Hertha vor dem Schlussverkauf
Im vorletzten Saisonspiel holen die Berliner in Leverkusen einen Punkt. Zu wenig, um den Abstieg noch zu verhindern. Für den hoch verschuldeten Verein bedeutet das: sparen, was geht. Viele Spieler werden gehen.
Bereits kurz nach dem Spielende wurde deutlich, dass bei Hertha BSC nun die Zeit des Abschiednehmens anbricht. "Das hat der Verein nicht verdient", sagte Arne Friedrich am Samstagabend. Der Mannschaftskapitän meinte den Abstieg der Berliner, der nach dem 1:1 (0:1) in Leverkusen endgültig besiegelt war - nach 13-jähriger Erstligazugehörigkeit.
Arne Friedrich wird wie das Gros der Mannschaft nicht absteigen. Die Wege des Vereins und der meisten Spieler werden sich trennen. Etliche Hertha-Profis stehen bei anderen Erstligaklubs auf den Einkaufslisten ganz weit oben. Man betrachtet sie alle als sinnvolle Verstärkungen. Ein Umstand, der die Bitterkeit des Niedergangs von Hertha gut illustriert. Die Qualität des Kaders hätte trotz der schmerzhaften Abgänge von Leistungsträgern vor der Saison für den Klassenerhalt genügen müssen.
Doch man hat auch selten eine Mannschaft gesehen, der vor dem gegnerischen Tor immer wieder so verlässlich die Nerven versagen. Das war in Leverkusen nicht anders. Vereinspräsident Werner Gegenbauer stellte nach dem Spiel fest, dass letztlich die Hypothek aus der Hinrunde, in der man nur sechs Punkte geholt hatte, zu groß gewesen sei.
Möglicherweise wird diese Hypothek den Verein noch über mehrere Jahre belasten. Das von der Klubführung ausgegebene Ziel, sofort wieder aufzusteigen, erscheint sehr ambitioniert. Hertha ist mit rund 35 Millionen Euro verschuldet und hat die Zweitligalizenz nur mit Auflagen erhalten. Es wird gemutmaßt, dass der Verein seinen Saisonetat von 75 auf 30 Millionen Euro reduzieren muss. Statt 17 Millionen Euro TV-Gelder wird man nur noch 7 Millionen Euro erhalten. Auch einige Sponsoren reduzieren ihre Unterstützung. Zudem kann Hertha in der 2. Liga nicht mal mit der Hälfte der derzeitigen Ticketeinnahmen kalkulieren. Man hofft auf 20.000 Zuschauer im Schnitt.
Schon allein aufgrund des Sparzwangs wird man Arne Friedrich, Gojko Kacar, Cicero, Patrick Ebert, Raffael, Jaroslav Drobny, Adrian Ramos, Steve von Bergen und Lukasz Piszczek wohl kaum halten. Zwar besitzt der Verein teilweise die Option, die Verträge zu verlängern, aber er müsste seine Spieler nach den bisherigen Erstligakonditionen bezahlen. So würden aus der derzeitigen Stammelf nur zwei bis drei Spieler verbleiben. Ein radikaler Neuaufbau steht an. Das ist keine ungewöhnliche Situation für einen Bundesligaabsteiger.
An dem Anspruch, Neuaufbau, Sparkurs und Wiederaufstieg in nur einem Jahr miteinander zu verbinden, sind aber schon viele Klubs gescheitert. Karlsruhe, Bielefeld und Cottbus, die drei Absteiger aus der vergangenen Saison, etwa haben alle den geplanten Wiederaufstieg deutlich verpasst.
Die Hertha-Vereinsführung hat jüngst versichert, dass Manager Michael Preetz, der in seinem ersten Jahr als Nachfolger von Dieter Hoeneß eine recht unglückliche Figur machte, diese Herkules-Aufgabe als Hauptverantwortlicher leiten soll. Trainer Friedhelm Funkel, so hört man aus dem Umfeld von Hertha, wird hingegen keine Zukunft mehr in Berlin haben.
Es dauert wohl noch ein wenig, bis man sich ein konkreteres Bild von der neuen Hertha machen kann. Gegenbauer erklärte am Samstag: "Heute überwiegt die Depression. Mit der Schlussanalyse lassen wir uns noch ein paar Tage Zeit. Es macht jetzt keinen Sinn, fundamentale Pläne rauszugeben." Klar ist indes, dass Hertha schnellstmöglich wieder erstklassig werden muss, um nicht von der Schuldenlast erdrückt zu werden.
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