BUNDESGERICHT ERLAUBT DIE DISKRIMINIERUNG VON MUSLIMINNEN : Kopftuchkonflikte zum Selberbasteln
Das Bundesverwaltungsgericht hat ein fatales Urteil gefällt. Das baden-württembergische Kopftuchgesetz sei rechtmäßig, die muslimische Lehrerin werde zu Recht nicht eingestellt. Damit hat das Gericht ein Gesetz durchgewunken, das der religiösen Diskriminierung Tür und Tor öffnet. Und zwar nicht, weil Baden-Württemberg versucht hätte, das Christentum über eine Sonderklausel zu legitimieren. So darf man das Gesetz nicht auslegen, das hat das Gericht bestätigt. Aber es gibt eine weitere Einschränkung, mit der man tuchtragende Musliminnen diskriminieren kann: Das Schulamt wird in Zukunft einschätzen, ob die „Bekundung der Religion“ Konflikte hervorrufen kann oder nicht. Beim Kopftuch könnte es nun regelmäßig eine negative Prognose stellen, bei christlichen Symbolen eine positive.
Damit kann man nun munter selber Konflikte prognostizieren, die in der Realität noch gar nicht stattgefunden haben. Es sei erinnert an ein Dutzend muslimische Lehrerinnen, die seit Jahren im nordrhein-westfälischen Schuldienst tätig sind, ohne dass Konflikte entstanden. Baden-Württemberg dagegen produziert seine Konflikte gerade selbst. Nach dem Kopftuchstreit haben Eltern im baden-württembergischen Urbach im April schließlich eine junge Lehrerin mit Tuch aus der Schule geekelt. Begründung: Sie habe sich „zu glatt“ dargestellt, man glaube ihr nicht. Das also ist der neue Maßstab für Berufsverbote.
So etwas ist im Verfassungsgerichtsurteil nicht vorgesehen. Dort heißt es, dass der Gesetzgeber „das zulässige Maß religiöser Bezüge in der Schule neu bestimmen“ könne. Damit würde dann der „Neutralitätspflicht eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung“ beigemessen. Das aber würde heißen, dass man nicht nur Bekundungen, von denen man konkrete Konflikte erwartet, aus der Schule fernhält, sondern alle religiösen Bekundungen. Zwischen den Religionen dürfe kein Unterschied gemacht werden, heißt es in dem Urteil. Genau das aber geschieht, wenn man das Stuttgarter Gesetz realistisch betrachtet. Es ist zu wünschen, dass das Verfassungsgericht sich dieser Art der mittelbaren Diskriminierung noch einmal widmet. HEIDE OESTREICH