BUCHSTABENSCHMUCK : Flohmarkt-Glück
Sehe ich eine alte Schreibmaschine, überkommt mich das Bedürfnis, die betagten Tasten mit ihren schönen Buchstaben zu berühren und den schweren Wagen nach rechts oder links zu schieben, in der Hoffnung auf ein fröhliches Klingeling. Sonntags steht auf dem Flohmarkt auf dem Boxhagener Platz eine Frau, die mit den Tasten alter Schreibmaschinen, Computer und Registrierkassen Fingerringe macht. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich bei den Tastenringen stehen geblieben bin. Die relativ günstigen verstellbaren Ringe mit einem grünen „D“, einem violettem „A“ oder einer roten „TAB“-Taste sind hübsch und lustig. Haben muss ich sie nicht.
Es sind die Einzelanfertigungen aus dickem Silber, die eine uralte „Umschalter“-Taste zieren, die mir schon mehrmals zugerufen haben „Kauf mich!“ Cool, dachte ich, dann kann man immer umschalten: von heiß auf kalt, von traurig auf lustig, von schnell auf langsam, von flüssig auf fest. Als ich den Preis erfuhr, 150 Euro, schaltete ich ganz allein von euphorisch auf ernüchtert. Vor einem Monat gab ich einen Ring in Aufrag. Ich war sauer auf das Finanzamt, das Geld von mir will, obwohl ich auch 2011 keinen Esel gefunden habe, der Dukaten scheißt. Da kommt es auf die paar Euro auch nicht mehr an.
Nach einer Anzahlung musste ich eine schwere Entscheidung treffen: Neben der „Umschalter“- sah ich eine „Feststeller“-Taste. Plötzlich erschien mir das Umschalten sehr hektisch. Ich entschied mich nach einwöchiger Bedenkzeit für einen „Feststeller“. Jetzt schmückt der Ring meine linke Hand. Bisweilen drehe ich an ihm und murmele vor mich hin: „Frau Bollwahn stellt fest, Frau Bollwahn stellt fest.“ Die Frau, die sich die Tastenidee patentieren ließ, erzählte mir, der „Feststeller“ stamme von einer Schreibmaschine um 1900, Modell „Fortuna“. Glück, dachte ich, kann man nicht feststellen. Glück kann man nur haben.
BARBARA BOLLWAHN