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BRUTPLÄTZE UNSERER KULTUR

■ No-Budget-Kurzfilmprogramm im KOB

Mittlerweile soll es sogar Kultursenatorin Anke Martiny mitbekommen haben: Berlin hat eine quicklebendige No-Budget -Film-Szene wie sonst nirgendwo in der BRD. Im Bemühen, eine kulturelle Filmförderung durchzusetzen, haben die FilmemacherInnen das wieder und wieder betont. Leider gibt es kaum Möglichkeiten, das hiesige Schaffen dem Publikum vorzuführen - so die Weiterführung der Argumentation. Ab und zu (so alle halbe Jahre) bietet sich aber doch die Gelegenheit, sich von der Kreativität der Berliner Filmszene im No-Budget-Bereich ein Bild zu machen. Freigegeben zur Besichtigung sind 118 Filmminuten, verteilt auf 16 Kurzfilme, der längste dauert 17 Minuten, der kürzeste ist mit knapp zwei Minuten veranschlagt.

Die Zusammenstellung ist ein eher zufälliges Gemisch ohne thematische Klammer, das vom verhinderten Märtyrerdasein über Schlachtfeste, Kaffeekränzchen und Weltschmerz bis hin zum Porträt eines 80jährigen Berliners reicht, der in den dreißiger Jahren als Aushilfskellner bei der UFA arbeitete. Er hat die Stars alle gesehen und erzählt davon, wie er einmal sogar bei Hans Albers zu Gast war und den Schauspieler aus der Fassung brachte, indem er ihm albersmäßig „La Paloma“ vortrug. Das kann Kurt Schlagk auch heute noch und singt es uns vor. Rühmann kann er auch imitieren und besitzt auch noch viele Autogramme. Zur heutigen Vorstellung ist er übrigens anwesend und vielleicht gibt er ja „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ zum besten.

Nachts um halb eins haben andere schon die „Ouzo-Ebene“ durchwandert. Sieben Minuten beobachten wir einen schweigenden Herren, der sich im griechischen Restaurant zu stilechter Gyrosmusik unaufhaltsam mit einer Flasche Ouzo durch den Abend trinkt. Eine Geschichte hohem Wiedererkennungswert bis hin zum schlußendlichen Filmriß. Mit viel schwerwiegenderen Vergehen befaßt sich „Brutplätze unserer Heimat“. Zuerst wird ein um Hilfe gackerndes Frühstücksei erbarmungslos vom Familienvater geköpft, und zum Ende bringen die Eltern den einzigen Sohn gemeinsam um die Ecke. Das hat er nun davon, daß er am Frühstückstisch immer „Wurst, Wurst“ plärrte. Dazwischen Goethes Erlkönig das Gedicht zum toten Kind. Wie diesen und noch anderen Übeln beizukommen ist, zeigt ein anderer Film: „Die Welt braucht mehr Herz.“ Ein Prophet im weißen Kittel (mit Herzen bestickt) meint eben dies: Die Welt braucht mehr Herz. Und schließlich geht er zur Tat über. In einem Schlachterladen wird ein Herz gekauft, in der Fußgängerzone wird das Herz auf ein Kopiergerät gelegt und dann der Startknopf gedrückt. Die Herzkopien verteilt der Prophet an die belustigt -neugierigen Passanten.

Natürlich gibt es auch erwartungsgemäß existentialistisches Leiden am Dasein: „Der größte Feind“ - Sartrebild hinterm Schreibtisch, Einsamkeit, das Ich und das Nichts, Ekel vor der fiesen Welt und so weiter. Naja, so ist das eben, wenn man zuviel Sartre gelesen und Godart nicht verdaut hat. Diese Filme werden wohl nie aussterben. Die Veranstalter von KOBs Kommerzkino sind jedenfalls löblicherweise entschlossen, noch weitere Kurzfilmprogramme auf die Beine zu stellen. Diesmal haben sie mit dem neugegründeten Filmbüro Berlin zusammengearbeitet, was für die Filmbüroleute sicherlich in erster Linie eine gute Werbeaktion ist und ihnen sogar Senatszuschüsse eingebracht hat.

Volker Grunske

Kurzfilmprogramm im KOBs Kommerzkino, Potsdamer Straßem 24. und 25.Juli, 20.30 und 23Uhr; 26. bis 28.Juli in der Zeltbühne Schulz, am alten Esplanade.

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