BMW will „Uber“ Konkurrenz machen: Bloß nicht stehenbleiben
BMW will einen Mitfahrdienst nach dem US-Vorbild „Uber“ aufbauen. Denn Autohersteller greifen sich gerade alles, was innovativ klingt.
Früher war alles besser, auch das Image des Privatautos. Heute sind im Zweifelsfall die Abgaswerte manipuliert, die Parkplätze zu bezahlen und das Smartphone ohnehin handlicher als herzeigbares Statussymbol.
Kein Wunder also, dass in den Strategieabteilungen der Konzerne eine Frage der ständig neuen Beantwortung harrt: Wie lässt es sich schaffen, dass auch hierzulande in Zukunft noch Leute Autos kaufen wollen – und zwar am besten die, die eigentlich keines brauchen?
Dass dabei nicht immer die sinnvollsten Ideen herauskommen, ist gerade bei BMW zu besichtigen. Der Nachrichtenseite Spiegel Online sagte BMW-Vorstand Peter Schwarzenbauer gestern, man denke darüber nach, einen eigenen Mitfahrdienst aufzubauen.
Das ist jetzt die Übersetzung, wörtlich sagte er „Ridesharing“ und das klingt schon viel eher nach Uber, dem umstrittenen Taxikonkurrenten, der mit fragwürdigen Arbeits-, Vertrags- und Versicherungsbedingungen von sich Reden machte und vor Gericht ein Urteil nach dem anderen kassierte. Und wie es klingt, will auch BMW so etwas probieren.
Verzweifelter als gedacht
Kann man machen. Aber man kann sicher nettere Möglichkeiten finden, wenn man unbedingt Rückstellungen in der Bilanz bilden will. Und wenn es stimmt, was Schwarzenbauer erzählt, dass etwa Studenten ein Carsharing-Auto buchen und damit ihre Transportdienste anbieten könnten, dann ist die Branche verzweifelter, als es bislang den Eindruck machte.
Dabei verlief die Suche nach einer Lösung für das Was-machen-wir-armen-Konzerne-wenn-weniger-Menschen-ein-Auto-kaufen-wollen-Problem bisher einigermaßen in Bahnen: Man konzentrierte sich aufs Carsharing, was nicht die abwegigste Idee ist, schließlich wünscht sich fast jeder mal ein Auto, angesichts von Sturzregen oder dem sperrigen Sofa.
Klar, das Kalkül ist durchsichtig: Wer sich als Carsharing-Kunde an eine Marke, das Interior ihrer Wagen und das Look-and-Feel der Bedienung gewöhnt hat, greift vielleicht auch dazu, wenn doch mal der Wunsch nach dem eigenen Auto aufkommt. Ob das Kalkül aufgeht, wird erst die Zukunft zeigen, doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass Carsharing ökologisch ein Gewinn ist: Die Auslastung ist deutlich höher als beim Auto in Privatbesitz, und auch wenn die ein- oder andere Busfahrt ersetzt wird, bleibt unterm Strich hängen: Eigenes Auto? Mit den Nebenwirkungen von Versicherungskosten über Reparatur- und Wartungsaufwand bis zur Parkplatzsuche? Wozu?
Sich neu erfinden, oder untergehen
Doch die Angst der Hersteller vor dem Imageverlust ihres Produkts zwingt sie, weiterzudenken, immer neue Innovationen nachzuschieben, Hauptsache nicht stehen bleiben. Schließlich ist auf anderen Märkten zu besichtigen, dass untergeht, wer sich nicht ständig neu erfindet. Und apropos IT: Genau dorther droht Konkurrenz. Google mit selbstfahrenden Autos und – sich quasi wöchentlich verdichtenden Gerüchten zufolge – Apple. Wäre alles nicht abwegig, schließlich sind die Konzerne heute schon in Kommunikationssystemen von Fahrzeugen. Und ganz andere Branchen, etwa Finanzdienstleister, denken über einen Einsteig ins Carsharing-Geschäft nach. Nein, es wird nicht gemütlicher.
BMW sind übrigens nicht die Einzigen. Auch Audi versucht sich an einem fragwürdigen Modell: einer Flotte mit exklusiveren Fahrzeugen für eine Zielgruppe, die bereit ist, deutlich mehr Geld auszugeben. Hier geht es nicht mehr darum, ein Auto für mehrere Nutzer zu haben, sondern mehrere Autos für einen Nutzer. Auch eine Möglichkeit, Fahrzeuge in den Markt zu drücken. Allerdings eine, die mehr nach Verzweiflung klingt als nach Innovation.
Auch wenn derzeit der Imageverlust größer ist als eventuelle Umsatzrückgänge – womöglich ist es mit dem Privatauto wie mit den Dinosauriern, deren Zeit einfach irgendwann gekommen war. Es wäre sicher nicht das Schlechteste. Und vielleicht klappt es ja diesmal auch ohne Asteroid.
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