BLAIR FEIERT MIT DEM HUTTON-BERICHT EIN URTEIL, DAS ER BESTELLT HAT : Der Lordrichter hat zu gut gearbeitet
Man kann es ihm nicht mal verdenken: Tony Blair begab sich gestern auf einen Triumphzug durch die Gemeinde. Doch die Erleichterung darüber, dass der Hutton-Bericht für ihn so positiv ausgefallen ist, nimmt man ihm nicht ab. Blair wusste genau, wen er mit der Untersuchung betraute. Brian Hutton, der pensionierte Lordrichter, ist ein lebenslanger Diener der Krone gewesen. Er arbeitete an den nordirischen „Diplock-Gerichten“, die von Menschenrechtsorganisationen verurteilt wurden, weil an ihnen keine Geschworenen zugelassen waren. 1972 war er am Widgery-Tribunal beteiligt, das in einer Farce endete: Der Bericht sprach die britische Armee frei, obwohl sie 14 unbewaffnete Demonstranten im nordirischen Derry ermordet hatten. Hutton weiß immer, was seine Pflicht ist.
Diesmal aber hat er übertrieben. Ein Beispiel: Blairs Wunsch, die vom Irak ausgehende Gefahr dramatisch darzustellen, habe die Autoren des Dossiers möglicherweise unterbewusst beeinflusst, mutmaßt Hutton. Unterbewusst? Sind dem Richter die E-Mails abhanden gekommen, in denen Blairs Berater die Geheimdienstler bedrängen, das Dossier gefälligst schärfer zu formulieren?
Die Tendenz, Aussagen und Beweise zu ignorieren, zieht sich durch den ganzen Bericht. Deshalb hat Blair den Richter ausgewählt. Er sollte Nebenaspekte untersuchen, aber am neuralgischen Punkt – den vorgeschobenen Gründen für den Krieg – nicht rühren. Darum haben Blair und seine Leute überhaupt den Streit mit der BBC über einen wenig bemerkenswerten Radiobericht begonnen. Fast wäre die Taktik aufgegangen, doch Hutton hat seine Sache zu gut gemacht. Es hätte seiner Glaubwürdigkeit gut getan, wenn der Bericht auch einen Funken Kritik an der Regierung enthalten hätte.
Nun feiert Blair also ein Urteil, das er selbst bestellt hat. Damit wird er nicht durchkommen: Es ist, als ob eine Fußballmannschaft den eigenen Trainer als Schiedsrichter aufstellt und sich dann freut, wegen lauter dubioser Elfmeterentscheidungen zu gewinnen. Allerdings hätten die Spieler wohl kaum die Frechheit, danach ein Loblied auf den Schiedsrichter zu singen. RALF SOTSCHECK