BINNENSCHIFFE IN DER UMWELTZONE: Die Schweröl-Dampfer
Autos ohne Filter dürfen längst nicht mehr in die City. Doch Binnenschiffe pusten weiter Dreck in die Luft, auch in der Umweltzone. Ein Pilotprojekt soll das nun ändern.
An Bord der "MS Prenzlauer Berg" recken die Passagiere Köpfe und Kameras in die Luft. Gerade ist das Schiff am Hauptbahnhof vorbeigefahren, gleich kommt das Bundeskanzleramt. Folgsam drehen die Touristen sich in die Richtung, die ihnen der Moderator weist. Was sie nicht wissen: Das Schiff, das sie über Spree und Landwehrkanal schippert, ist Teil eines Versuchs mit dem Ziel, den Schiffsverkehr in der Stadt etwas weniger umweltschädlich zu machen.
Die Methode ist vor allem Autofahrern bekannt: Partikelfilter sollen den Feinstaub aus den Abgasen herausfiltern. Beim Pkw- und Lkw-Verkehr ist das bereits gesetzlich geregelt. Seit dem 1. Januar 2008 gilt in Berlin die Umweltzone. Seither dürfen innerhalb des S-Bahn-Rings nur Fahrzeuge mit einer Plakette fahren, die die Einhaltung bestimmter Abgasstandards signalisiert. Gegebenenfalls müssen die Besitzer ihre Fahrzeuge mit Filtern nachrüsten. So soll die Konzentration an Feinstaub und Stickoxiden in der Innenstadt sinken. Doch es gibt Fahrzeuge, die die Umweltzone durchqueren, ohne auch nur annähernd die Anforderungen für die grüne Plakette zu erfüllen: Schiffe.
"Binnenschiffe haben durchgehend Heizöl als Treibstoff", erklärt Winfried Lücking vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Dieses sogenannte Schweröl sei zwar längst nicht mehr so schlimm wie der Treibstoff, den Seeschiffe tanken. Doch es enthalte immer noch einen deutlich höheren Anteil an Schwefel als Diesel. Mit den Maßstäben der Umweltzone gemessen, dürften die Schiffe also eigentlich nicht mehr durch den Innenstadtbereich schippern. "Wir sind geografisch in der Umweltzone unterwegs, ohne die Grenzwerte einhalten zu können", sagt Jürgen Loch, Geschäftsführer der Reederei Stern-und-Kreisschifffahrt.
Dass die Schiffe bei der damals bundesweiten Regelung zur Umweltzone ausgenommen wurden, hat einen praktischen Grund, erklärt Martin Schlegel vom Berliner Landesverband des BUND: "Man hätte noch einen ganz anderen Player dabei gehabt, weil man sich dann mit zusätzlichen Behörden hätte einigen müssen." Mindestens zwei Jahre länger, so schätzt Schlegel, hätten die Verhandlungen dann gedauert.
Mit der "MS Prenzlauer Berg" und den baugleichen Schiffen "MS Pankow" und "MS Friedrichshain" gibt es nun einen ersten Vorstoß, auch die Emissionen der Schiffe etwas zu entgiften. Noch bis November ist an jedem Schiff ein anderer Rußfiltertyp im Einsatz. Der Versuch soll vor allem ans Licht bringen, ob die Filter den regulären Fahrbetrieb durch Motorausfälle behindern und wie hoch die Kosten im Vergleich sind. So arbeite beispielsweise einer der Filter mit nachträglicher Verbrennung und benötige daher eine separate Aufsicht - was für die Reederei höhere Kosten verursache, erläutert Loch. Pro Filter 6.000 bis 8.000 Euro, rechnet er, dazu kämen rund 5.000 Euro für den Einbau und weitere Kosten für die Wartung. Jedes Schiff brauche zwei bis vier Filter je nach Anzahl der Motoren. Loch wünscht sich daher staatliche Hilfen: "Bei Autos gab es schließlich auch Zuschüsse für den Einbau von Partikelfiltern."
Für das Pilotprojekt liegen die Kosten vor allem bei der Senatsverwaltung für Umwelt, auf deren Initiative das Projekt zurückgeht. "Es haben sich immer wieder Leute beschwert, dass in sensiblen Bereichen wie Cafés und Strandbars oder Wohnungen am Wasser Gestank von den Schiffen wahrnehmbar ist", erklärt Volker Schlickum, der sich bei der Senatsverwaltung um das Projekt kümmert. Daher sei man auf verschiedene Reedereien zugegangen, und die Stern-und-Kreisschifffahrt habe eingewilligt.
Insgesamt über 100.000 Euro investiert die Senatsverwaltung, sie finanziert die Messreihen und die Partikelfilter, die die Hersteller allerdings günstiger abgegeben haben. "Nach der ersten Saison kann man schon sagen, dass die Technik zuverlässig arbeitet", sagt Schlickum. Eine signifikante Treibstofferhöhung habe es im Vergleich zum Betrieb ohne Filter auch nicht gegeben. Noch ist das Projekt ein Tropfen auf den heißen Stein. Im Fahrgastbereich sind in Berlin und Potsdam rund 130 Schiffe unterwegs, dazu kommen die Binnenschiffe wie Kähne, die über Spree und Landwehrkanal fahren.
Ganz uneigennützig ist die Kooperation der Reederei laut BUND-Vertreter Schlegel nicht. "Die Reedereien haben selbst ein Interesse daran, den Schadstoffausstoß zu verringern", sagt er. Denn sowohl die Reisenden an Deck der Schiffe als auch potenzielle Passagiere an der Promenade würden unter den unangenehmen Gerüchen leiden .
Auch wenn Loch betont, dass seine Reederei an Anlegestellen zunehmend Stromanschlüsse installiert, damit die Schiffe bei längeren Halts den Motor ausschalten und Landstrom nutzen - andere Städte sind schon weiter. So werden in Hamburg derzeit ganz andere Antriebsformen erprobt. Zwei Passagierschiffe - eines mit Solarenergie, eines mit Brennstoffzellen angetrieben- fahren dort auf der Alster. Loch ist aber skeptisch: "Der Energiebedarf kann durch Solarenergie derzeit noch nicht gedeckt werden", sagt er. Zumindest an einem Antrieb mit Brennstoffzellen werde derzeit gearbeitet. Loch kann sich vorstellen, einen derartigen Antrieb im Fährbetrieb einzusetzen - dort sei der Energiebedarf geringer.
Doch da ist bereits das nächste Problem: Die BVG schreibt den Fährbetrieb, wie es ihn beispielsweise zwischen Wannsee und Kladow gibt, für jeweils fünf Jahre aus. Damit sich eine Investition wie in einen Brennstoffstellenantrieb lohnt, will die Reederei einen Vertrag über mindestens zehn Jahre. Das sieht auch Schlegel so: "Ich halte es für sinnvoll die Ausschreibungszeit zu verlängern, wenn das zu einer schnelleren Umrüstung führt."
Doch die BVG dämpft die Erwartungen. "Wir schreiben nach europäischem Recht aus, und da könnten längerfristige Verträge zur einer Klage vor der Vergabekammer führen", sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Gleichzeitig äußerte sie Verständnis für die Reedereien. "Ich verstehe, dass Fährunternehmen Angst haben, nach einer großen wirtschaftlichen Investition fünf Jahre später im Regen zu stehen." Ein "Dilemma" nennt sie die Situation, derzeit noch ohne Aussicht auf eine Lösung.
Bei dem Pilotprojekt mit den Partikelfiltern warten alle Beteiligten auf den Abschlussbericht, der im nächsten Frühjahr fertig sein soll. Auf dieser Basis könne man mit Reedereien und Herstellern reden, sagt Schlickum von der Umweltverwaltung. Wenn sich alle einigen, könnte zumindest ein Teil des Schiffsverkehrs fünf Jahre nach dem Start der Umweltzone ein kleines bisschen sauberer werden.
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