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Archiv-Artikel

BILDUNGSSTUDIE IGLU BESTÄTIGT: DEUTSCHEN SCHÜLERN FEHLT FÖRDERUNG Doch nur gehobenes Mittelmaß

Die schon mit Spannung erwarteten Resultate der Internationalen Grundschul-Lesestudie (Iglu) werden am kommenden Dienstag vorgestellt. Bruchstücke kursieren schon jetzt in den Medien: Deutsche Grundschüler kommen im Weltranking auf Platz 11 von 35 Ländern. Das löste Erleichterung aus, landeten doch die 15-Jährigen, die für Pisa getestet wurden, nur auf einem blamablen 23. Platz (von 31). Aber was die Süddeutsche Zeitung eine „brisante Erfolgsmeldung“ nennt und Focus dazu verleitete, im Internet zu titeln, „Grundschüler sind klug“ – das ist in Wahrheit nur Mittelmaß. Immerhin nicht wie bei Pisa unteres, aber doch nur ein etwas besseres.

Also keine Entwarnung. Auch Iglu diagnostiziert die gleiche deutsche Krankheit wie schon Pisa: In Deutschland werden die schwachen Schüler schlecht gefördert und die Starken zu wenig gefordert. Man könnte auch sagen, unseren Schülern wird wenig zugetraut.

Sobald sich Politiker und Journalisten die Ruhe zur genauen Lektüre der umfangreichen Studie gönnen, werden wir mehr wissen. Die deutsche Lernschwäche hat auf jeden Fall etwas damit zu tun, sich zu wenig Zeit für Genauigkeit zu lassen. So bleibt das Lernen zu wenig nachhaltig. Interessant ist, dass wieder ein skandinavisches Land besonders erfolgreich ist: diesmal Schweden.

Eines vereint die auch sonst etwas glücklicheren Länder: Sie sind gelassener. Im zweitplatzierten England fängt die Schule erst um 9 Uhr an. In Schweden gibt es bis zur achten Klasse keine Noten. Und beim Drittplatzierten, Holland, können schon Vierjährige die Schule besuchen, wenn die Eltern es wollen. Die Schule ist dort spielerischer und zugleich ernsthafter als die deutsche, die für die meisten etwas Unangenehmes hat: „Man geht zur Schule wie zum Zahnarzt und versucht, sich vor dem Schmerz zu drücken oder ihn zu ertragen“, wie die Lernforscherin Elsbeth Stern zu Recht sagt.

Dass Lust und Leistung nicht wie Feuer und Wasser sind, will den Deutschen nicht in den Kopf. Langsam müssen sie dafür zahlen. Denn mit der großen Gruppe so genannter Risikoschüler wird ein neues Subproletariat geschaffen, für das es nicht genügend Jobs geben wird. Die Einbußen an der Spitze kann man auch so buchstabieren: In England studieren doppelt so viele junge Leute Natur- und Ingenieurwissenschaften wie bei uns. Schweden steht an der Spitze des Innovationsindex der europäischen Gemeinschaft. 71 Prozent der jungen Finnen studieren. In all diesen Ländern hat man das Lernen in der Schule entspannt und dadurch verbessert. Das ist das ganz einfache Geheimnis von Schulen, in denen alle Kinder lange zusammenbleiben. REINHARD KAHL