BILDUNG STATT RENTE HEISST NICHT, DASS DIE ALTEN ZITTERN MÜSSEN : Bildung, Bildung, Bildung!
Der Showdown zwischen Rente und Bildung fand bei Weißwurst im Vorgarten eines Münchener Reihenhauses statt. „Du, wir können uns ein zweites Kind einfach nicht leisten“, sagt die gute Freundin. Denn pro Krippenplatz muss sie ab sofort um 140 Euro mehr bezahlen. Macht zum 1. September Kinderbetreuungskosten von 400 Euro monatlich – für nur ein Kind. Man tut sich noch mal tüchtig süßen Senf auf, um den Schreck zu verdauen. Doch dann kommt das eigentliche Problem der jungen Mutter. „Wirklich Sorgen mach ich mir aber eher um die Rente – von Mama und Papa. Die ist in Gefahr!“ Jetzt muss doch ein Weißbier her, das Gemüt will beruhigt werden.
Verkehrte Welt. Hier, in einem sündhaft teuren Vorort, der das Leben selbst für gut verdienende Junge prekär macht, sind die gut versorgten Alten gerade 1:0 in Führung gegangen – und das bei Aufschlag der Jungen. Kann es wirklich sein, dass wir Thirtysomethings Angst haben um die Renten unserer Eltern, jener also, die unbestreitbar der Luxusklasse des Ruhestands angehören? Mit der Rente ist es wie mit der Klosterfrau Melissengeist: Nie war sie so wertvoll wie heute. Das ist kein Neid. Die Rentner und Pensionäre haben es verdient, sie haben das Land wieder aufgebaut etc. Nur, mal ehrlich. Beschreibt der Begriff „Generation Teneriffa“ die aktuelle Lage nicht besser als etwa „Generation Trümmerfrau“? Die Altersarmut ist keinesfalls dramatisch, die Durchschnittsrente nicht extrem hoch, aber ausreichend.
Ganz anders die Lage der Jungen. Die Jugendarmut ist dramatisch größer als die Altersarmut, über eine Million Kinder lebt mit Sozialhilfe. Und um die Bildungssituation kritisch zu finden, brauchen wir keine Pisa-Studien zu lesen: Kindergärten sind teuer, aber mittelprächtig. Schulen verfallen nicht nur äußerlich. Von der intellektuellen wie finanziellen Dauerkrise der Hochschulen gar nicht zu reden. Es ist also vollkommen richtig, was der Kanzler und sein SPD-General sagen: Die Rente sollte künftig eine geringere Priorität haben als Kinderbetreuung, Bildung und Wissenschaft. Oder kürzer: „Bildung, Bildung, Bildung“ muss die Agenda zu Beginn des dritten Jahrtausends heißen.
In den Hollywoodschaukeln ist natürlich sogleich helle Aufregung entstanden. Dabei zittern die Alten zu Unrecht. Denn darin liegt die Ironie, wenn Rente nur noch die zweite Geige spielt: Richtet sich die politische und pekuniäre Aufmerksamkeit der Nation erst mal auf Bildung, dann müssen nicht die Alten aufpassen, sondern die immer frischen Abzocker in den Bildungseinrichtungen: Bummelstudenten, frühpensionierte Lehrer, gelangweilte Erzieherinnen und Professoren.
CHRISTIAN FÜLLER