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BILDCHEN GUCKEN

■ Michael Schackwitz im Kutscherhaus

Eine Mutter übt mit ihrem Sprößling „Erkenne die Welt“. Das ist eine Zitrone, und das ist eine Orange, die komischen Frauen da sind Nonnen, die Männer mit den Gewehren nennen wir Soldaten. Ein Hund, ein Fuß, ein Fluß. Eins, zwei, drei, vier Lebkuchenherzen, eins, zwei, drei, vier Engelchen, eins, zwei, drei, vier komische Dinger (da handelt es sich um in Ärsche eindringende Schwänze). Einer absurden ABC -Fibel, die alles Abbildbare wahllos aneinanderreiht, gleichen die Bilder von Michael Schackwitz im Kutscherhaus.

In jedem Bild liegen drei Motivstreifen übereinander. Tier und Pflanzenwelt, Musikinstrumente und Waffen, Körperteile und Totenschädel, Pornos und Wetterkarten, altertümliche Stuckleisten und Filmbilder aus Hollywood: Alles, was je zum Bild geworden ist, wie disperat es auch sein mag, wird kombiniert. Die Einzelbildchen liegen auf den Streifen isoliert nebeneinander wie auf einem Glasstreifen einer Laterna Magica. Die drei Bildleisten scheinen gegeneinander verschiebbar, die Kombinationen austauschbar. Tausche Astronaut gegen Embryo, Messer gegen Säge, Mondkrater gegen Bergsee. Man könnte eine unendliche Reihe anlegen: Suche die dem Sinn nach ähnlichen Motive heraus, oder verknüpfe die formal korrespondieren Streifen. Doch jede Assoziationskette endet in der Absurdität. Die Darstellung im Bild taugt nicht mehr als Hinweis auf wirkliche Existenz von etwas, der Sinn eines Motives geht verloren. Die Bilder täuschen Handlungsmöglichkeiten vor, doch das Spiel mit ihnen bleibt bloße Beschäftigungstherapie. Die enzyklopädische Sammlung von allem Existierenden, die Wissen und Macht garantieren soll, wird zum sinnlosen Chaos.

Katrin Bettina Müller

Michael Schackwitz im Kutscherhaus bis zum 19. Mai, Mo-Do 10 -17Uhr, Fr & So 10-14 Uhr.

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