BETTINA GAUS POLITIK VON OBEN : Das globale Prinzip Selbstgerechtigkeit
Ein junger Mosambikaner schimpft über Einwanderer in seinem Land. Dabei fallen sie dem Staat nicht zur Last. Sie bringen sogar Geld und Initiative mit. Was stört ihn?
Es gibt eine Mischung aus Selbstgerechtigkeit und Zorn, die faszinierend ist. Weil so überraschend weltumspannend. „Es leben hier sehr viele illegale Einwanderer“, sagt der Mann, den ich in einem netten, kleinen Restaurant treffe. „Das ist nicht in Ordnung. Gesetzliche Vorschriften müssen schließlich beachtet werden.“ Der 32-Jährige hat mir gerade erzählt, dass er sich auf dem Weg nach oben sieht. Als Verwaltungsangestellter verdient er genug, um sich eine weiterbildende Abendschule leisten zu können.
Die Familie – fünf Söhne – ernährt er mit einer Nebentätigkeit. Viele Leute, Ausländer wie Einheimische, haben Schwierigkeiten, die komplizierten Vorschriften zu beachten oder auch nur zu verstehen, auf deren Einhaltung er als Verwaltungsangestellter dringen muss. Aber er kann diesen Leuten helfen. Indem er sie dabei unterstützt, die Klippen zu umschiffen. Nebenberuflich eben und ganz lukrativ. Das ist legal in dem Land, in dem mein Gesprächspartner lebt und arbeitet. In Mosambik.
Insgesamt ist er mit sich und seinem Land zufrieden. Wenn bloß die Illegalen nicht wären. Aber gab es nicht einst eine Zeit, die gar nicht so weit zurückliegt, in der seine Landsleute – und vielleicht auch er selbst – froh und dankbar waren, wenn andere Länder bereit waren, sie als Flüchtlinge aufzunehmen? Doch, schon. Gewiss. „Aber die Leute, die jetzt hierherkommen – das sind nicht alles Kriegsflüchtlinge.“ Sondern? „Wirtschaftsflüchtlinge.“ Und warum kommen die überhaupt hierher, in den Norden von Mosambik? „Die Leute hier wollen nicht arbeiten. Die Wirtschaftsflüchtlinge schon.“
Könnte das dem Land nicht gut bekommen? Wenn fleißige, ehrgeizige Ausländer sich hier niederlassen, um zu investieren? „Die tausend Dollar, die die vielleicht mitbringen, um Kartoffeln zu verkaufen, sind für mich keine Investition“, sagt mein Gesprächspartner verächtlich.
Nein, die illegal in Mosambik lebenden Ausländer fallen dem Staat nicht zur Last. Sie nehmen keinerlei Sozialleistungen in Anspruch. Sie stören den netten jungen Mann aus Prinzip.
Zwei Tage später fahre ich mit dem Bus aus der nördlich gelegenen Stadt Nampula in die Hauptstadt Maputo. Kurz nach der Abfahrt: Polizeikontrolle. Zwei Somalis, offenbar nicht im Besitz gültiger Papiere, werden aus dem Bus geholt. Niemanden scheint das zu kümmern.
■ Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz und reist zurzeit durch Afrika Foto: Amélie Losier