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Archiv-Artikel

BETTINA GAUS POLITIK VON OBEN Mit Bollenhut und schönen Tüchern

In Ghana propagiert der Staat eine Kleiderordnung im Dienste der Nation. Immer freitags sollen sich die Menschen einheimisch anziehen. Wäre das was für Deutschland?

Das junge Paar lächelt von riesigen Plakaten auf die Verkehrsteilnehmer in Lagos, Abuja und Kano herab: Denke nigerianisch! Lebe nigerianisch! Kleide dich nigerianisch!

Etwas abstrakt, diese PR-Kampagne. In Ghana hat eine Richtlinie der Regierung schon vor einigen Jahren verdeutlicht, worum es geht: Jeden Freitag sollen Angestellte des öffentlichen Dienstes – und möglichst auch alle anderen – ghanaische Kleidung tragen. „Damit wollen wir unsere Kultur betonen und außerdem die einheimische Textilindustrie fördern“, erklärt Richard Oduro, Verwaltungsmann aus Accra.

Netter Einfall. Zumal die traditionelle Kleidung in Westafrika überaus ansehnlich und praktisch ist: Locker fallend, in leuchtenden Farben, mit kunstvoll geschlungenen Tüchern. Irgendwie cool. Selbst in der Hitze.

Ob wir das auch probieren sollten, wenigstens im Hochsommer? Es muss ja nicht unbedingt die Lederhose sein. Der Schwarzwälder Bollenhut oder ein thüringisches Schnürmieder fielen in Berlin gewiss auch angenehm auf. So eine Initiative könnte den Tourismus fördern. Und falls damit die blödsinnige Diskussion erledigt werden könnte, ob man stolz sein dürfe auf Deutschland: Dann wäre das auch ein Gewinn.

Bereits 1772 erließ Hessen eine Kleiderordnung, die verhindern sollte, dass „durch den Gebrauch fremder Waaren große Geldsummen zum Lande hinausgeführt würden, hingegen die inländischen Fabriquen und Manufakturen in immer größern Verfall gerieten.“

Tja. Und heute rennen die Kinder zu H & M und schenken ihr Geld den Schweden. Traurig, das. Ein Beispiel an Ghana sollten sie sich nehmen. Oder?

„Das Problem ist, dass die Chinesen all unsere Entwürfe kopieren und zu Dumpingpreisen auf den Markt werfen“, sagt Richard Oduro. „Abscheuliche Qualität, aber billig.“ Die abscheuliche Qualität wird gekauft.

1975 arbeiteten 25.000 Menschen in Textilfabriken in Ghana. Heute sind es nur noch 4.000. Aber zumindest ist der Freitag nun ein patriotischer Tag. Das mag ja trösten.

Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz und reist zurzeit durch Afrika Foto: A. Loisier