BETTINA GAUS MACHT : Der Nächste, bitte nicht
Köhler, Koch und Jepsen: Wer möchte eigentlich nicht in den Ruhestand treten, wenn er weiterhin seine vollen Bezüge erhält? Mein Respekt gilt denen, die ihren Job gerade nicht hinschmeißen, weil sie keine Lust mehr haben
Na, Peter Müller, wie wär’s? Haben Sie nicht auch Lust auf ein bisschen Privatleben? Finden Sie es wirklich noch spaßig, sich mit lästigen Oppositionellen, Medien und Parteifreunden auseinanderzusetzen? Zumal Sie inzwischen Alterspräsident der Jungen Wilden Ihrer Partei sind?
Bisher haben Sie keine Amtsmüdigkeit erkennen lassen. Seltsam. Vielleicht sollte man dem Ministerpräsidenten des Saarlands das Bundesverdienstkreuz für „besondere Leistungen“ auf dem Gebiet der Politik verleihen.
Ach, das hat Peter Müller schon? Sogar mit Stern und Schulterband? Tja, da kann man nichts machen. Wenn die Inhaber bedeutender Ämter den einzigen Verdienstorden der Bundesrepublik ebenso verlässlich erhalten wie ihre Pensionen, dann lässt sich niemand mehr besonders hervorheben.
Ich bedaure das. Inzwischen empfinde ich tiefe Sympathie für alle, die ihren Job gerade mal nicht hinschmeißen.
Es ist ja nicht so, als ob man die Rücktreter, die gerade noch Amtsträger waren, nicht verstehen könnte. Keine Aufstiegsmöglichkeiten mehr in Sicht und eintönige Arbeit: Wer möchte da nicht in den vorzeitigen Ruhestand treten, bei vollen Bezügen? Die Wette sei gewagt: Geschätzte 89 Prozent derjenigen, die demnächst erst mit 67 Jahren in Rente gehen sollen, fänden es prima, wenn sie diese Alternative denn hätten. Übrigens wächst auch in mir das Bedürfnis, hinzuschmeißen. Ich habe Jahre meines Lebens damit zugebracht, gegen bestimmte – aus meiner Sicht: populistische – Angriffe auf Politiker zu kämpfen. Dienstwagenprivileg, Diäten: Ich hielt es immer für kleinkariert, dagegen zu argumentieren. Allerdings habe ich es auch nicht für möglich gehalten, dass schlichte Unlust irgendwann als hinreichende Begründung für einen Rücktritt betrachtet werden würde.
Wenn die Rücktreter doch bloß nicht immer „ich“ sagen würden! Dieser Stoßseufzer gilt nicht nur Politikern. „Meine Glaubwürdigkeit wird angezweifelt.“ Deshalb sehe sie sich nicht in der Lage, die frohe Botschaft so weiterzusagen, wie sie das versprochen habe, erklärte Bischöfin Maria Jepsen bei ihrem Rücktritt. Das ist eine bequemere – frohe – Botschaft als die Aussage, man bedaure Nachlässigkeit der eigenen Institution im Zusammenhang mit dem Thema Missbrauch.
Roland Koch teilte uns mit, dass Politik nicht sein Leben sei. Horst Köhler fand, Kritik an ihm ließe „den notwendigen Respekt“ für sein Amt vermissen. Da hat er sich selbst mit seinem Posten verwechselt.
Er, er und sie. Ich, ich und ich und ich: Es nervt. Nichts – und zwar wirklich: nichts – gegen Privilegien für Amtsträger. Aber es wäre schon nett, sie wüssten, warum sie diese Privilegien genießen.
■ Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz
Foto: Amélie Loisier