BETRIEBLICHEAUSBILDUNGSZUSCHÜSSE: Kopfgeld für Lehrlinge
■ Der brandenburgische Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) bemüht sich, allen Auszubildenden eine Lehre im eigenen Land zu verschaffen
taz: Im Bundesland Brandenburg fehlen etwa 6.000 betriebliche Ausbildungsplätze. Ihr Angebot an Klein- und Mittelbetriebe, 5.000 Mark für die Ausbildung eines Mädchens und 4.000 Mark für einen Jungen aus dem Ministeriumstopf dazuzugeben, greifen noch immer zu wenige Betriebe auf. Woran liegt das?
Walter Hirche: Auf den finanziellen Zuschuß des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums haben gerade in den letzten Tagen mehr Betriebe zurückgegriffen. Es sind jetzt 2.400 Jugendliche von insgesamt 5.000, für die Gelder zur Verfügung stehen. Erfahrungsgemäß wird die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den Monaten August und September noch weiter ansteigen. Im vergangenen Jahr sind alle Jugendlichen in Brandenburg mit einer Lehrstelle versorgt worden. Das wird auch in diesem Ausbildungsjahr wieder so sein. In den neuen Bundesländern gehen viele Betriebe immer noch davon aus, daß das Ausbildungsjahr erst am 1. September beginnt. Die Gründe für die bisher zögerliche Inanspruchnahme unseres finanziellen Anreizes sind vielfältig: Uninformiertheit über die Fördermöglichkeiten; Unsicherheit von kleineren und mittleren Betrieben über die künftige Entwicklung der Auftragslage; Befürchtungen, den Anforderungen der neuen Ausbildungsverordnungen nicht gerecht zu werden; Blockierung von Ausbildungsplätzen durch Betriebspraktika für Umschulungsmaßnahmen sowie außerbetriebliche Ausbildung und Bildungsgänge an Fachoberschulen.
Was halten Sie davon, wenn sich ostdeutsche Lehrlinge in den alten Bundesländern ausbilden lassen, weil sie dort eine Lehrstelle gefunden haben?
Ich kann keinen jungen Menschen daran hindern, sich irgendwo einen Ausbildungsplatz zu suchen. Allerdings fördere ich es nicht. Das Land Brandenburg braucht qualifizierte Mitarbeiter für den wirtschaftlichen Aufschwung. In spätestens drei Jahren werden uns diese Jugendlichen hier fehlen. Wir bemühen uns, Ausbildungsplätze im eigenen Land zu schaffen, damit auch die Eltern ihren erzieherischen Einfluß behalten. Daß unser Konzept aufgeht, zeigt sich daran, daß die Tendenz, gen Westen zu gehen, rückläufig ist.
Wie wollen Sie dem Lehrstellenmangel in den nächsten Jahren zu Leibe rücken, wenn sich der wirtschaftliche Aufschwung im Land Brandenburg nicht wie vorhergesagt einstellt?
Das ist ein Problem, das mir tatsächlich Sorge bereitet, besonders vor dem Hintergrund des angekündigten Wegfalls der Förderung nach Paragraph 40 c 4 des Arbeitsförderungsgesetzes. Diesen Paragraphen hat die Bundesregierung ausschließlich für die neuen Bundesländer geschaffen, um weitere Bundesmittel für die Berufsausbildung bereitzustellen. Zum Jahresende wird der Paragraph wieder gestrichen, aber die dringend erforderlichen Mittel, die das Land allein nicht aufbringen kann, werden trotzdem weiterhin gebraucht. Außerdem erhöht sich im kommenden Jahr die Zahl der Schulabgänger. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation werden jedoch kaum mehr betriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen als 1992. In den nächsten Jahren können wir, bis die Bedingungen für eine qualifizierte Berufsausbildung in Betrieben in ausreichendem Umfang geschaffen worden sind, auf außerbetriebliche Kapazitäten nicht verzichten, um allen Jugendlichen eine anerkannte Berufsausbildung zu garantieren. Die Fragen stellten Bärbel Petersen
und Günter Ermlich
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