BERLINER SZENEN ABWESENHEITSNOTIZ : Das Leben ohne mich
Eine kleine Spinne wird über die Badezimmerdecke kriechen. Im Waschbecken wird Wasser verdunsten. In den Rohren wird es rauschen, wenn der Nachbar die Klospülung betätigt. Die von der Tochter gebastelte Katze, die an einem Bindfaden am Küchenfenster hängt, wird sich im Luftzug drehen. Im Kühlschrank wird alles ein paar Stunden älter werden. Der Kühlschrank wird wohl mal anspringen, dann wird sich im Flur die Scheibe im Stromzähler drehen. Die Frau auf dem Ölgemalde wird lächeln. Vielleicht wird eine Rechnung durch den Briefschlitz fallen. Von draußen wird das Gurren der Tauben in die Wohnung dringen und das Schnattern der anderen Vögel (Amseln?) auch.
Die Sonne wird gegen Mittag über das weiß gestrichene Haus gegenüber steigen, in mein Wohnzimmer scheinen und die Comicsammlung der Kinder hell beleuchten. Dann wird die Sonne wieder sinken. Im Licht werden Staubkörper aufscheinen. Ein Blatt wird von einem der Zweige mit Kirschblüten auf dem Couchtisch abfallen. Die Bananen im Obstkorb werden eine Nuance gelber werden. Die Bücher in den Regalen werden der Welt ihre Rücken zudrehen. Auf die Fensterbretter wird sich etwas Staub legen; auf den großen Spiegel, der im Schlafzimmer in der Ecke steht, auch. Dazu wird der Wecker ticken. Das Kleinkind aus der ersten Etage wird bestimmt mal weinen, von der dritten Etage werden Schritte zu hören sein. Tischtennisschläger und Schachbrett werden unbenutzt im Regal liegen bleiben.
Das wird in meiner Wohnung geschehen, während ich heute weg sein werde. DIRK KNIPPHALS