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BER und klimafreundliches FliegenAlle fliegen jetzt auf Öko

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Der BER ist in Betrieb. Es gab Proteste von Klimaaktivist*innen – und Sonntagsreden vom klimafreundlichen Fliegen. Aber geht das überhaupt?

Gelandet: Am 4. November wurde die Südbahn des BER offiziell in Betrieb genommen Foto: picture alliance/dpa

S ie haben es nicht geschafft: Die angekündigte Blockade der Eröffnung des Pannenflughafens BER am vergangenen Samstag kam nicht zustande. Die Ehrengäste redeten, die ersten Flugzeuge landeten, der BER ist nun wirklich in Betrieb. 14 Jahre nach dem ersten Spatenstich.

Aber die Proteste der Klimaaktivist*innen im Terminal 1, davor und rund um den BER waren nicht umsonst. Denn tatsächlich war die Klimakrise neben Corona das zentrale Thema des Eröffnungswochenendes. Fast jeder, der glaubte, etwas zur Eröffnung zu sagen zu haben (es waren tatsächlich nur Männer), betonte die Problematik – und nannte andere Lösungsansätze.

Der Chef von Easyjet glaubte zwar an eine schnelle Erholung der wegen der Pandemie wichtigsten Airline am BER, erklärte aber zugleich, dass die Luftfahrtindustrie die CO2-Emissionen deutlich reduzieren müsse. Sein Lufthansa-Kollege berichtete, man habe aus diesem Grund extra klimafreundlichen Sprit in die Eröffnungsmaschine getankt.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wiederum nahm sogar direkt Bezug auf die Demonstrationen am BER: „Wir stehen unter immensem Druck.“ Seine Lösung: Nicht weniger fliegen – „wir brauchen den Flugverkehr“ –, sondern die Versorgung des BER mit umweltfreundlicher Energie aus Brandenburg. Da sei das Land bundesweit Vorreiter.

Tickets teurer machen

Berlins mitregierende Grüne sehen das ein bisschen anders. Es müsse weniger geflogen werden, hatte ihre Fraktionschefin Antje Kapek im taz Talk vor der Eröffnung gesagt. Eine Möglichkeit dafür: Die Tickets teurer machen. „Fliegen ist bisher zu günstig, das muss einen angemessenen Preis haben.“ Als Land und Miteigentümer habe man darauf Einfluss, indem man etwa die Entgelte für Abflüge und Landungen erhöhe.

Klimaschutz war – neben Corona – das wichtigste Thema der BER-Eröffnung

Wo viele Positionen zusammenkommen wie in diesem Fall, besteht die Gefahr, dass statt eines Kompromisses – ein bisschen teurer, technische Aufrüstung der Flugzeuge, mehr Ökoenergie – der problematische Status quo dauerhaft erhalten bleibt, weil niemand von sich aus Zugeständnisse machen möchte. Zudem haben alle drei Eigentümer, also der Bund, Berlin und Brandenburg, ein ökonomisches Interesse, dass der BER viel Geld bringt, schließlich ist die Flughafengesellschaft in argen finanziellen Schwierigkeiten, nicht nur durch Corona.

Im Rückblick könnten die ganzen Reden zur Eröffnung als Paradebeispiel für Greenwashing gelten, also das Vortäuschen eines ökologischen Verhaltens oder Vorhabens. Das darf aber nicht passieren. Ein Grund ist die Begrenzung der Erderhitzung, wozu Flugverkehr viel beiträgt.

Ein anderer, den meisten Politiker*innen im wahrsten Sinne des Wortes naheliegenderer, ist, dass man nach den vielen Verzögerungen beim Bau des BER auf jeden Fall darauf verzichten sollte, den Flughafen zu erweitern. Eine Pannengeschichte dieser Dimension reicht für mehrere Generationen.

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Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
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2 Kommentare

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  • "Aber geht das überhaupt?"



    Wer nur auf die CO2-Emissionen schaut: mit synthetischen Kraftstoffen oder LH2 ja. Das Problem: Da kommt noch Wasser raus, welches gasförmig deutlich treibhauswirksamer ist als CO2. In kondensierter Form (Wolken) wirkt Wasser im Allgemeinen kühlend, wenn die Erde mehr Infrarot abstrahlt als vom All abbekommt und wärmend im umgekehrten Fall. Deshalb sind bewölkte Tage eher kühl und bewölkte Nächte eher warm. Somit gilt es, das Wasser zum Kondensieren zu bringen. Dafür werden Kondensationskeime benötigt. Da heutige Triebwerke sehr rußarm verbrennen, ist man bisher auf natürliche Quellen angewiesen.



    Ein interessanter Ansatz bei LH2-Flugzeugen ist die Mitnahme geringster Mengen Schweröl, das dem heißen Abgasstrahl zugegeben wird. Dieses verbrennt nicht, sondern bildet geringe Mengen Ruß, der als Kondensationskeim dient, sodass das Auskondensieren provoziert wird. Dieses System würde in größeren Höhen, wenn der Treibhauseffekt durch Wasserdampf besonders stark ist, zugeschaltet werden, sodass die Schadstoffbelastung in Bodennähe gering bleibt.

    • @Luftfahrer:

      "In kondensierter Form (Wolken) wirkt Wasser im Allgemeinen kühlend, wenn die Erde mehr Infrarot abstrahlt als vom All abbekommt und wärmend im umgekehrten Fall"



      Das sind Fake News. Es ist natürlich genau andersrum. Ich bitte diese Verwechslung zu entschuldigen.



      Zudem muss es nicht Schweröl sein. Benzol bietet sich eigentlich hervorragend an: dünnflüssig, H:C-Verhältnis von 1, synthetisch herstellbar und neigt gewaltig zum Rußen.