BEIM FÖDERALISMUS-KOMPROMISS BLEIBEN DIE SCHULEN AUF DER STRECKE : Bildungsgerechtigkeit als Bauernopfer
Die unsozialste der Reformen kommt ganz harmlos daher. Föderalismus? Kooperationsverbot? Derlei sperrige Vokabeln treiben niemand auf die Straße. Heftig diskutiert wird über Hartz IV oder die Mehrwertsteuer – dabei lässt sich bei diesen Themen über Vor- und Nachteile trefflich streiten. Bei der sogenannten Reform des deutschen Föderalismus dagegen ist die Sache ziemlich klar: Auf dem Altar der deutschen Kleinstaaterei wird die Chancengleichheit im Bildungswesen geopfert.
Der Kompromiss, auf den sich Union und SPD jetzt offenbar geeinigt haben, zeugt vom alten Bildungsdünkel – als hätte es die Pisa-Debatten der vergangenen Jahre überhaupt nicht gegeben. Nur an der Spitze der Bildungspyramide, bei den Hochschulen, darf der Bund den Ländern künftig noch finanziell unter die Arme greifen und den deutschen Nachwuchs auf Weltniveau hieven. Bei den Schulen dagegen, dem eigentlichen Problemfall der Bildungsrepublik Deutschland, bleibt er dagegen außen vor. So etwas wie das Programm, mit dem Rot-Grün in den vergangenen Jahren die Ganztagsschulen förderte, soll es nie wieder geben.
Dabei ist die schulische Betreuung auch am Nachmittag das A und O für gleiche Chancen, will man den Nachwuchs nicht alleine dem prägenden Einfluss des sozialen Herkunftsmilieus überlassen. Die Kosten für den nötigen Umbau der Schulgebäude und für zusätzliches Personal können aber selbst diejenigen Bundesländer, die eine Ganztagsschule überhaupt wollen, gar nicht allein schultern.
Dieses eifersüchtige Beharren der Ministerpräsidenten auf Zuständigkeiten, für die sie finanziell gar nicht aufkommen können, war schon immer ein Kernproblem des deutschen Föderalismus. Daran ändert die aktuelle Reform überhaupt nichts, weil die Verteilung der Steuereinnahmen einmal mehr ausgespart bleibt.
Ohne eine durchgreifende Verbesserung des Schulsystems bleiben allerdings auch jeder Hochschulpakt weitgehend wirkungslos. Denn der Nachwuchs, dessen Bildungschancen die Politik damit verbessern will, wird die Universität auf diesem Wege gar nicht erst erreichen.
RALPH BOLLMANN