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Archiv-Artikel

BEI DEN EIGENEN KINDERN DARF MAN GEHIRNWÄSCHE MACHEN – SEHR WICHTIGE DINGE FINDEN DIE KLEINEN ABER AUCH GANZ ALLEIN HERAUS Wir haben eine Armee jetzt

JACINTA NANDI

Sie spielen im Radio das Lied „In the Army Now“ von Status Quo. Mein Sohn sitzt am Küchentisch und schneidet an Kartoffeln rum, eigentlich möchte er Minecraft spielen. Aber er hat ganz dolle Karies im Mund, und ich habe vor, dass wir gesünder essen müssen. Ein wichtiger Teil meines Plans ist es, dass er mir beim Kochen helfen muss und so.

„Was sagen sie in dem Lied, Mama?“, fragt er.

„You’re in the army now“, sage ich. „Du bist in der Armee jetzt.“

„Aber es kommt nicht aus Deutschland, das Lied“, sagt er.

„Nee“, sage ich.

„Weil wir in Deutschland, wir haben keine Armee“, sagt er. „Doch“, sage ich. „Es gibt auch in Deutschland eine Armee.“

Mein Sohn legt sein Messer hin und guckt mich entsetzt an.

„Deutschland, unser Land Deutschland“, dann verbessert er sich schnell, „mein Land, Deutschland, hat eine Armee? Jetzt, heutzutage? Wenn ich am Leben bin? Nicht in den alten Tagen? Mit Hitler oder mit der Mauer? Jetzt? Ein Armee?“

„Ja“, sage ich. „Natürlich haben wir eine Armee. Jedes Land hat eine Armee.“

„Deutschland hat eine Armee? Bist du dir sicher, Mama?“

„Ja“, sage ich. „Sie haben Werbeplakate in der U-Bahn manchmal.“

„Und auf wen schießen sie?“, fragt er. „Auf wen schießen die deutschen Soldaten? Bestimmt schießen sie nur auf böse Menschen, oder?“

„Ja“, sage ich. „Also, sie zielen bestimmt nur auf böse Menschen. Aber vielleicht schießen sie irgendwann mal ab und zu ein paar Nette mit ab. So was passiert, wenn man am Schießen ist.“

Ryan schüttelt seinen Kopf, total entgeistert. „Ich hatte keine Ahnung“, sagte er, „dass mein Land eine Armee hat. Keine Ahnung. Ich habe das nicht gewusst.“

Ich gucke ihn an und lächele. Bei manchen Sachen habe ich ihm voll das Gehirn gewaschen, bei Rassismus und so. Bei Aladin saß ich neben ihm und flüsterte ihm immer so zu, wenn gerade rassistische Bilder am Fernsehen lief. Ich habe ihm mit vier die Worte „sexistische Kackscheiße“ beigebracht. Ich denke, das ist das Recht der Eltern, ihren Kinder ein bisschen Gehirnwäsche zu machen. Das ist unsere Belohnung für das frühe Aufstehen und auch dafür, wie teuer und laut und anstrengend es in Legoland Discovery Center ist. Wer das nicht gut findet, der kann selber Kinder kriegen und deren Gehirn waschen oder auch nicht. Aber bei dieser Sache mit der Armee? Ich bin ein bisschen stolz, aber ich kann nicht genau erklären, warum. Irgendwie denke ich, dass ich keine so schlechte Mama sein kann, trotz der Karies, wenn mein Sohn von ganz allein so pazifistisch geworden ist, dass er sich gar nicht vorstellen kann, dass es eine deutsche Armee gibt.

„Findest du das gut, dass Deutschland eine Armee hat, Mama?“, fragt er mich.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU| KOLUMNE@TAZ.DE

Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe

Montag Josef Winkler Wortklauberei

Dienstag Deniz Yücel Besser

Mittwoch Martin Reichert Erwachsen

Donnerstag Ambros Waibel Blicke

„Nee?“, sage ich unsicher. „Was denkst du?“

„Ich bin dagegen“, sagt er. „Die Armee ist gut für Kriege, und wir wollen keine Kriege mehr, oder.“

„Genau“, sage ich.

„Kann ich jetzt Minecraft spielen gehen?“, fragt er.

„Okay“, sage ich. „Geh mal.“