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Archiv-Artikel

BAYERNS WIRTSCHAFT MACHT GUTE VORSCHLÄGE ZUR BILDUNGSREFORM Bosse, radikal und schlau

Fitte Kinder sollten sich schon als Vierjährige richtig bilden dürfen – auch an Schulen. Das fordert die bayerische Wirtschaft. Ja, richtig gehört, die bay-er-ischen Unternehmen. Man reibt sich die Augen. Kann das wahr sein? Ist nach den Kleckerreformen etwa eine revolutionäre Zeit angebrochen? Reitet Napoleon wieder durch Deutschland und schneidet alte Zöpfe ab? Die Nachricht hat etwas Doofes, etwas Ärgerliches und, das ist das wichtigste, etwas Faszinierendes.

Ziemlich doof ist, dass die Nachricht in der öffentlichen Wahrnehmung zunächst auf die Einschulung mit vier Jahren reduziert wurde. Schon konnten die üblichen Vedächtigen, die Lehrerverbände, losplärren, wie falsch und fatal das ist. Dabei ist der Schulbeginn mit vier nur eine Möglichkeit. Und lediglich ein Schnipsel des Grundsatzpapiers zu Bildung und Gesellschaft, das ein Professor und die Prognos AG für die weiß-blauen Industriellen und Mittelständler aufgeschrieben haben.

Selbstverständlich findet sich auch Ärgerliches auf den 350 Seiten über „Bildung neu denken!“. Der Präsident der „Vereinigung der bayerischen Wirtschaft“, Randolf Rodenstock, fordert etwa, der Staat möge doch, bitte schön, mehr Geld in die Bildung investieren. Stimmt, keine Frage. Nur sind die Unternehmer die Letzten, die das anmahnen sollten. Tausende Jugendliche ohne Lehrstelle würden sich glücklich schätzen, wenn die Wirtschaft ihren eigenen finanziellen Verpflichtungen für Bildung und Qualifikation der Gesellschaft gerecht würde.

Faszinierend an der neuesten Studie aus der Rubrik „Was tun nach Pisa?“ ist, wie radikal die Autoren alles Bisherige in Frage stellen. Während sich die Kultusminister seit zwei Jahren nicht an die Kernprobleme Schulstruktur und Lernkultur heranwagen, kennen die bayerischen Unternehmer kein Tabu. Schluss mit Sitzenbleiben, Hauptschule und Lehrerbeamtentum, dafür gemeinsames Lernen von Kindern aller Altersstufen und regelmäßige Qualitätskontrollen für Lehrer. Die Bildungsverantwortlichen der Länder und aufgeregte Eltern sollten sich genau anschauen, was Bayerns Bosse fordern. Es lohnt sich. CHRISTIAN FÜLLER