BAHN-AUFSICHTSRAT FASST ABSURDE BESCHLÜSSE – WEIL WAHLKAMPF IST: Spielball der Politik
Die Bahn wird von der Politik missbraucht – das zeigte sich wieder einmal, als gestern über das Megaprojekt „Stuttgart 21“ bei der Aufsichtsratssitzung der Bahn debattiert wurde. Man einigte sich darauf, „das Planfeststellungsverfahren“ einzuleiten. Allerdings unter zwei Bedingungen, und eine davon ist wesentlich: Der milliardenschwere Umbau des Stuttgarter Bahnhofs soll erneut auf seine Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit geprüft werden. Und schon jetzt ist so gut wie sicher: Die derzeit veranschlagten rund sechs Milliarden Mark für den Tunnelbahnhof dürften locker um noch eine weitere Milliarde steigen. Das ist aber ohnehin egal. Denn dann – und selbst im Aufsichtsrat kann man darüber nur noch höhnisch lächeln – sieht es im Ländle schon wieder ganz anders aus: Denn dann wird der Wahlkampf vorbei und das Interesse erloschen sein.
Dann wird es nicht mehr nötig sein, dass sich CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel mit dem Prestigeprojekt schmückt; dann hat er ja erst mal vier Jahre Ruhe, falls er überhaupt noch einmal gewählt werden sollte. Dann brauchen auch die SPD-Kandidaten nicht mehr gegen ihr Image als vermeintliche Innovationsfeinde zu kämpfen. Nur die Grünen müssen gar nicht erst von ihrer Position abrücken. Sie können dann wie jetzt den moralischen Zeigefinger heben und sagen, seht her, wir haben es schon immer gewusst, dieses Projekt ist Schwachsinn, weil viel zu teuer.
Stuttgart 21 und die dazugehörige ICE-Strecke von Stuttgart nach München werden dann hoffentlich endlich ein Relikt sein aus einer Zeit, als Bahnchefs und Politiker noch gemeinsam kungelten und mal eben gemeinsam den Finanzplan für ein politisch gewünschtes Projekt schönrechneten. Durch eine solch ökonomisch widersinnige Kungelei ist auch die Ursprungsidee für ICE-Trasse und Bahnhof entstanden: Mitte der 90er-Jahre beschlossen der damalige Bahnchef Heinz Dürr und der CDU-Verkehrsminister Matthias Wissmann mal so eben, dass diese Neubauten ja so teuer nicht werden könnten.
Wenn heute schon weniger geklüngelt wird als früher, dann ist dies Mehdorn zu verdanken. Und alles spricht dafür, dass er mit Verkehrsminister Bodewig einen Partner gefunden hat, der ähnlich denkt. Zwar sind sich die beiden nicht immer einig, wie die Zukunft der Bahn aussehen soll – da müssen sie sich zur Zeit noch über die Details einigen. Aber beim „Wie“ der Bahnpolitik stimmen sie überein: Die Bahn soll kein Spielball profiliersüchtiger Politiker mehr sein! Es besteht also Grund zur Hoffnung, dass so verlogene Beschlüsse wie jener von gestern bald der Vergangenheit angehören.
KATHARINA KOUFEN
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