Autorin Ina Bruchlos über alltägliche Komik: "Leute fast wie Karikaturen"

Ina Bruchlos hat lustige Geschichten über ihre Eltern verfasst und malt - manchmal auch Waschbären. Ihr Geld zum Leben verdient sie in der Hamburger Kunsthalle. Ein Gespräch über verschrobene Typen, alte Meister und unerwarteten Erfolg.

Ist fast immer ohne Skizzenbuch unterwegs: Malerin und Autorin Ina Bruchlos. Bild: Miguel Ferraz

taz: Frau Bruchlos, Sie haben mal geschrieben: "Wenn mich einer fragen würde, wie faul ich bin, würde ich antworten: So faul, wie man sich fühlt." Wie faul sind Sie wirklich?

Ina Bruchlos: Oh, gute Frage … Ich habe den Eindruck, das verändert sich im Lauf der Zeit. Wenn ich an meine Studienzeit denke - da hatten wir alle so unheimlich viel Zeit! Da haben wir viel rumgehangen und vor uns hingefault. Das geht jetzt nicht mehr. Durch den Alltag ist man gestresster, weil man so viele unsinnige Dinge tun muss. Allerdings fehlt mir, glaube ich, manchmal die Effizienz.

Fühlen Sie sich schuldig, wenn Sie faulenzen?

Manchmal schon. Denn ich schreibe ja nicht nur, sondern ich male auch. Und das alles in die verfügbare Zeit zu packen, finde ich nicht leicht.

Warum müssen Sie eigentlich malen und schreiben?

Weil ich beides brauche. Wenn ich eine Zeit lang nur geschrieben habe, kann ich irgendwann den Bildschirm nicht mehr sehen. Dann ist es schön, wieder etwas Materielleres vor sich zu haben.

Was war zuerst da?

Das Malen. Das Schreiben kam durch einen Zufall dazu, nachdem ich nach Hamburg gezogen war. Seither fahre ich mit dem Zug oft nach Aschaffenburg, um meine Eltern zu besuchen. Diese Zugfahrt ist so lang und langweilig, dass ich irgendwann anfing zu schreiben. Das habe ich aber eigentlich nur für mich gemacht. Irgendwann hat mich eine Freundin für eine Lesebühne an der Hamburger Uni eingetragen. Und gewissenhaft, wie ich bin, ging ich hin.

Mit welchen Texten?

Das einzige, was ich hatte, waren Geschichten über meine Eltern, und ich dachte, das interessiert keinen. Naja, und dann haben sich die Leute amüsiert, und das fand ich sehr schön, und so ging es dann weiter …

Irgendwo haben Sie geschrieben: "Wenn ich berühmt werde." Wann wird das sein?

Ach, das ist mir gar nicht so wichtig. Ich finde, solange man seine Sachen machen kann, die einem Spaß machen und es ein gewisses Publikum dafür gibt, ist es für mich in Ordnung.

Ihre Geschichten sind ja alltags-ironische Abrechnungen …

Abrechnung - ich weiß nicht. Mir ist wichtig, dass die Leute, die darin vorkommen, nicht schlecht wegkommen. Es sollen keine boshaften Geschichten sein. Über die Hamburger Kunsthalle, wo ich an der Garderobe arbeite, würde ich zum Beispiel sehr gern schreiben, und ab und zu tue ich es auch. Aber das ist schwer, weil ich die Leute ja nicht bloßstellen will. Obwohl da schon verschrobene Typen arbeiten.

An der Garderobe?

Ja - und auch insgesamt. Diese ganze Museumswelt ist sehr verschroben. Manchmal kommen mir die Leute fast vor wie Karikaturen. Wenn man es genau so aufschriebe, würde jeder sagen, das ist ja völlig übertrieben, so kann niemand sein.

Können Sie Beispiele nennen, ohne jemanden bloß zu stellen?

Wir haben einen Kollegen, der immer schlechte Laune hat. Dabei ist er eigentlich ein ganz reizender Typ. Zu seinen Kollegen ist er absolut nett, aber gegenüber den Besuchern benimmt er sich unmöglich. Das ist schon eigenartig.

45, stammt aus Reinheim im Odenwald und hat Visuelle Kommunikation und Kunst in Offenbach, Rotterdam und Hamburg studiert. Seit 1998 lebt sie als freie Künstlerin in Hamburg und hat mehrere Kurzgeschichten-Bände veröffentlicht, darunter "Der Kampf der Mähdrescher" und "Alte Bekannte" (2011).

Sprechen Sie mit ihm darüber?

Ja.

Und?

Ich glaube, er empfindet sich gar nicht so.

Arbeiten Sie immer an der Garderobe?

Nein, manchmal bin ich auch Saalaufsicht.

Ist es nicht öde, ewig vor demselben Bild zu stehen?

Nein, ich mag es ganz gern. Allerdings ist mir aufgefallen, dass ich lieber acht Stunden vor den alten Meistern stehe als vor zeitgenössischen Werken. Dabei sehe ich mir privat viel lieber Gegenwartskunst an.

Wie erklären Sie sich das Phänomen?

Mit den alten Meistern kann man sich länger beschäftigen. Bei den neuen Arbeiten habe ich immer das Gefühl, nach eine Stunde hat man das Prinzip verstanden. Und dann braucht man es auch nicht mehr groß anzugucken.

Ist das ein Armutszeugnis für die zeitgenössische Kunst?

Ich weiß nicht genau, woran es liegt. Vielleicht ist es das Material. Bei den alten Werken hat man wahnsinnig viel zu gucken: Die alten Holländer und Rembrandt - damit kann man sich stundenlang beschäftigen. Aber es gibt natürlich auch moderne Ausstellungen, bei denen man lange vor den Bildern stehen kann. Aber viele sind es nicht.

Gibt es Bilder, bei denen Sie besonders scharf aufpassen müssen?

Grundsätzlich ist Gegenwartskunst gefährdeter, weil die Bilder keinen Glasrahmen haben. Bei Gerhard Richter zum Beispiel - da war mal eine Lehrerin, die fuchtelte immer mit ihrem Kuli da herum. Die hat mich ein bisschen wahnsinnig gemacht … Und ich sag nicht so gern was, denn ich verstehe ja, dass die Leute in Ruhe gucken wollen - besonders, wenn es Kindergruppen sind. Wenn man die ständig ermahnt, haben sie bald keine Lust mehr auf die Kunst, und das will man ja auch nicht.

Hatten Sie mal erwogen, selbst von der Kunst zu leben?

Früher wollte ich das. Aber ich sehe bei Freunden, die von der Kunst leben, wie viel Arbeit das ist. Da muss man wahnsinnig viele Dinge tun, die mit Kunstproduktion nichts zu tun haben. Man muss ständig irgendwelche Kontakte aufrecht erhalten und ein reges gesellschaftliches Leben führen. Wenn man dagegen, wie ich, von der Kunsthalle sein Geld bekommt und nicht so darauf angewiesen ist, mit der Kunst Geld zu verdienen, ist das sehr angenehm.

Sie haben mal Donald Ducks Haus nachgebaut. Warum eigentlich?

Darauf bin ich durch eine Freundin gekommen, die diese Comics immer liest. Irgendwann hat sie mal gesagt, die Welt von Donald Duck sei so klar und sähe immer gleich aus. Ich habe geantwortet, dass ich das nicht glaube. Denn dann müsste es ja ein einheitliches Bild von dessen Haus geben, und jeder Zeichner müsste sich exakt daran halten. Aber diese Disney-Welt ist so komplex - da sind so viele Zeichner und Länder beteiligt, dass ich nicht glaube, dass die alle dasselbe Haus gezeichnet haben.

Und?

Ich habe in den Büchern nachgesehen, und es gab wirklich Unterschiede. Mal war der Briefkasten links, mal rechts. Mal hing die Hängematte am Baum, mal am Haus. Und ich fand das so verrückt: Wenn man Leute fragt, würde jeder sagen, das es immer dasselbe Haus ist. Aber es unterscheidet sich ja sogar schon innerhalb einer Geschichte. Da hat das Haus in einer Szene eine Garage und in der nächsten keine … Deshalb habe ich ein Modell gebaut, auf dem alle Varianten des Hauses zu sehen sind.

Könnten Sie selbst das Haus, in dem Sie aufwuchsen, korrekt zeichnen?

Das habe ich auch schon überlegt. Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht exakt. Ich könnte zum Beispiel nicht mehr sagen, was für ein Kachelmotiv meine Eltern in ihrem Bad hatten.

Und wenn Sie Ihre Eltern nach diesen Details und den alten Geschichten fragen: Glauben Sie Ihnen?

Nein.

Warum nicht?

Ich habe das Gefühl, dass sich die Geschichten durch permanente Wiederholung verändern. Mir ist auch aufgefallen, dass sich die Erinnerung meiner Eltern wiederholt. Sie erzählen bestimmte Anekdoten immer wieder, obwohl man sie in- und auswendig kennt. Da habe ich manchmal das Gefühl, durch diese Wiederholung bekommt die Geschichten etwas Wahres - was wahrscheinlich gar nicht stimmt. Vielleicht stimmt irgendein Detail überhaupt nicht. Aber ich kann es nicht mehr prüfen.

Alltagsdetails sind ja auch Thema Ihrer Bilder.

Ja. Mir fällt etwas auf, ich beobachte es, und dann stelle ich es mir als Bild vor. Jetzt habe ich zum Beispiel gerade Waschbären gemalt, die vor Mülltonnen sitzen.

Wie kamen Sie darauf?

Ich war vor kurzem im Wildpark, und es war Waschbär-Fütterung. Der Wärter sagte, dass die Tiere völlig zu Unrecht Waschbären hießen. Sie würden sich zwar so bewegen, als ob sie wüschen, aber mit Sauberkeit habe das nichts zu tun. Ich habe ihm das nicht so recht geglaubt. Denn der Bär hat wirklich immer sein Stückchen Futter genommen, ist zum kleinen Teich gegangen und hat angefangen, es zu waschen.

Haben Sie immer ein Skizzenbuch dabei, um solche Dinge festzuhalten?

Nein. Aber mein Bruder, der noch in Aschaffenburg lebt, macht das. Auch seine Frau und seine Tochter. Die ganze Familie macht mich manchmal wahnsinnig: Die kommen alle mit Skizzenbüchern, und dann sitzt man beim Kaffee und kann sich mit keinem unterhalten, weil alle anfangen zu zeichnen.

Haben Sie aus Trotz kein Skizzenbuch?

Nein. Sondern weil es mir nicht viel nützen würde. Denn wenn ich welche mache, sehen meine Skizzen immer furchtbar aus. Das sind rudimentäre Ideen, Strichmännchen - und manchmal kann ich selbst nicht erkennen, was es ist. Dann schreib ich mir daneben, was es sein soll. Für später, zum Erinnern.

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