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Autorensolidarität mit KrachtDas Ende der freien Kunst

17 deutschsprachige AutorInnen, darunter auch Literaturnobel-preisträgerin Elfriede Jelinek, sehen im Spiegelartikel "Die Methode Kracht" eine Grenzüberschreitung der Literaturkritik.

Christian Kracht - hier 2002 in Berlin - sitzt nicht mehr alleine auf der Couch. Namhafte Kollegen springen ihm im Streit mit dem "Spiegel" zur Seite. Bild: imago/Christian Thiel

Berlin taz | Namhafte deutschsprachige Autoren haben in einem offenen Brief an die Spiegel-Chefredaktion die Berichterstattung über den am Donnerstag erschienen Roman "Imperium" von Christan Kracht kritisiert. Zu den 17 UnterzeichnerInnen des Schreibens zählen u.a. Daniel Kehlmann, Elfriede Jelinek, Necla Kelek, Benjamin von Stuckrad-Barre und Feridun Zaimoglu.

Die SchriftstellerInnen sind der Auffassung der Spiegel-Autor Georg Diez habe "die Grenzen zwischen Kritik und Denunziation überschritten". Diez hatte Kracht am vergangenen Montag in seinem Artikel "Die Methode Kracht" scharf angegriffen. Er ist der Auffassung, "Imperium" sei "von Anfang an durchdrungen von einer rassistischen Weltsicht".

Der Angriff des Literaturkritikers galt aber nicht nur dem Roman, sondern auch dem Autor selbst: Kracht sei "der Türsteher der rechten Gedanken". Im Lauf der Woche hatte sich im deutschen Feuillton eine Debatte entwickelt, die Kracht und seine Erzählung vor den Spiegel-Vorwürfen in Schutz nahm.

Jan Küveler attestierte Diez in der Welt "Ironiefreiheit" und kennzeichnete den Artikel als "denuziatorisches Pamphlet". Felicitas von Lovenberg (FAZ) konstatierte, der Spiegel-Autor gehe "dem Schweizer Schriftsteller voll auf dem Leim". Auch Krachts Kölner Verlag Kiepenheuer und Witsch wehrte sich gegen die Vorwürfe.

Perfide an den Pranger gestellt

Der Autor würde auf "perfide Weise an den Pranger" gestellt, hieß es in einer Pressemitteilung vom Montag. Dem folgt nun auch der offene Brief der Autoren, der neben einem KiWi- auch den Briefkopf der Literaturagentur Landwehr&Cie trägt.

Das kurze Schreiben schließt mit den Worten: "Wenn diese Art des Literaturjournalismus Schule machen würde, wäre dies das Ende jeder Literarischen Phantasie, von Fiktion, Ironie und freier Kunst."

Christian Krachts Roman "Imperium" thematisiert die Biografie des aus Nürnberg stammenden Vegetariers August Engelhardt (1875-1919). Engelhardt reiste Anfang des 20. Jahrhunderts ins heutige Papua-Neuginea, gründete eine Sonnensekte und ernährte sich ausschließlich von Kokosnüssen. JSCH

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8 Kommentare

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  • G0
    Gruppe 00 (Bad&WC)

    Daniel Kehlmann, Benjamin von Stuckrad-Barre, Feridun Zaimoglu, Rafael Horzon, Eckhard Nickel, Carl von Siemens, ...die hälfte der Unterzeichner besteht aus den letzten Heulern der aktuellen deutschen "Literatur"szene und dem modernen Antiquariat von morgen. Warum die Jelinak da mitmacht, muß man wohl ihren Agenten bzw. Verleger fragen.

  • H
    hto

    "Das Ende der freien Kunst"

     

    - es ist KEINE Kunst, den ziemlich offen breitvertretenen Rassis- und Antisemtismus für profitable Zwecke zu nutzen, weil in diesem System des "freiheitlichen" Wettbewerbs um ... Aufarbeitung nicht möglich und auch nicht gewollt ist.

     

    Nichts ist FREI, wie NICHTS in dieser stets zeitgeistlich-reformistischen imperialistischen Welt- und "Werteordnung" etwas wirklich menschenwürdig wert ist!!!

  • D
    Derdentextkennt

    @Derdieuhrkennt

     

    Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?(Georg Christoph Lichtenberg)

  • C
    Caja

    Diese zwei Sätze von Dietz im Spiegelartikel "Die Methode Kracht" in Der Spiegel Nr. 7/13.2.12 sagen alles über das verworrene, krude Gedankengut des C. Kracht aus:

     

    "Er ist der Türsteher der rechten Gedanken. An seinem Beispiel kann man sehen, wie antimodernes, demokratiefeindliches, totalitäres Denken seinen Weg findet hinein in den Mainstream."

  • RB
    Rainer Baumann

    Der Briefwechsel zwischen Kracht und Woodard ist entlarvend. Da gibt es nichts falsch zu verstehen. Mich wundert, daß das, außer Dietz, keiner bemerken will.

    Kracht? Einfach mal genau hinsehen.

  • L
    lesendes

    Zum einen hat Felicitas von Lovenberg als FAZ-Kritikerin bestimmt nicht in der ZEIT geschrieben. Und warum wird nirgends - auch nicht in mittlerweile vier taz-Artikeln zum Thema Kracht - erklärt, was es mit dem von Dietz zitierten Briefwechsel auf sich hat? Man kann sich kaum einen harmlosen Kontext vorstellen, aber vielleicht waren die Zitate ja herausgerissen? Aber das kollektive Schweigen im Feuilleton wirkt wie das okkulte Geraune in eben diesem Gespräch ums neue Deutschland im Dschungel Südamerikas.

  • NW
    nie wieder

    Warum brechen deutschsprachige Schriftsteller/innen für ihren Kollegen Kracht ohne Wenn und Aber eine Lanze? Dietz' Beschuldigungen sind zu ernst, um sie einfach vom Tisch zu fegen. Hier hilft nur Aufklärung.

  • D
    Derdieuhrkennt

    Es wäre mal schön, wenn einige Leute den Artikel über Kracht auch mal wirklich lesen, darin geht es nicht nur um "Imperium" sondern auch um Krachts Briefwechsel mit Woodard zu "Nueva Germania", indem ja deren antisemitische Weltanschauungen zu finden sind.

    Jetzt soll das alles nur Provokation gewesen sein.

     

    Kunst ist frei, Freiheit bedeutet aber auch verantwortungsvoll damit umzugehen. Und wer am rechten Rand fischt, muss sich nicht wundern, wenn andere bemerken, dass der neue Fang ziemlich braun wirkt.

     

    Vielleicht schreibt Holger Apfel ja mal ein Buch "Geschichten vom kleinen Hitler-Bub" oder so, das wäre dann natürlich auch nur als Kunst zu sehen und nicht im politischen Kontext.

     

    Die Sache ist die, dass braunes Gedankengut sich auch immer mehr in der sogennanten liberalen-Linken breit macht.

     

    Denk ich an Deutschland, könnt ich Kotzen!