Autor als Selfmade-Verleger: "40 bis 100 Prozent von jedem Buch"
Der Journalist und Autor Markus Albers hat sein jüngstes Wirtschaftsbuch im Alleingang als E-Book und Book-on-Demand herausgebracht - und schwärmt von dieser Methode.
taz.de: Herr Albers, Sie haben kürzlich ein Experiment gestartet. Ihr Wirtschaftsbuch "Meconomy" erschien nicht bei einem renommierten Verlag, sondern wurde komplett von Ihnen selbst verlegt - egal ob als E-Book oder als Papiertitel. Wie kamen Sie auf die Idee?
Markus Albers: Dafür gab es gleich vier Gründe. Erstens wollte ich das Buch so schnell wie möglich veröffentlichen, weil das Thema aktuell ist - mein alter Verlag aber hätte es um ein Jahr geschoben. Zweitens haben die Zahl elektronischer Lesegeräte und die Akzeptanz, längere Texte am Bildschirm zu lesen, zugenommen. Drittens interessiere ich mich sowieso für Technik, weswegen ich es einfach mal selbst versuchen wollte. Und der vierte Grund fiel mir erst im Nachhinein auf: Die Erscheinungsweise beweist zugleich die Kernthese des Buches. Nämlich, dass wir viele alte Institutionen heute nicht brauchen, sondern Dinge mit Hilfe des Internet selbst machen können. Zum Beispiel eben Bücher vertreiben.
Wie erfolgreich ist der Titel?
In "Meconomy" beschäftigt sich der Journalist und Autor Markus Albers mit der neuen Arbeitswelt zwischen Selbstständigkeit, Fremdbestimmung und Selbstvermarktung. Das Motto: "Die Krise haben wir überlebt. Jetzt müssen wir uns neu erfinden." Das Buch ist in unterschiedlichen E-Book-Versionen für 10 Euro und als Print-on-Demand-Buch für 17 Euro zu haben. Albers ist Korrespondent der Zeitschrift "Monocle" in Berlin und schreibt für "Brand Eins" , "Die Zeit", "GQ" und "AD". Der Vorgängertitel von "Meconomy", "Morgen komm ich später rein", erschien im renommierten Campus-Verlag.
Albers: Das Ganze ist ja ein Experiment und der E-Book-Markt in Deutschland noch kaum entwickelt. Insofern habe ich immer gesagt: Wenn ich 20 verkaufe, bin ich gescheitert, ab 200 habe ich meine Kosten wieder drin, ab 500 ist es für mich ein Erfolg. Inzwischen bin ich bei etwa 1500 verkauften Exemplaren und es geht fleißig weiter. Das empfinde ich mindestens als einen schönen Achtungserfolg. Und weil man als Autor an einem selbst vertriebenen E-Book viel mehr verdient als bei einem klassischen Verlag, lohnt es sich auch.
Sie sind in der Web-2.0-Szene recht bekannt und haben auch gut besuchte Präsenzen bei Twitter oder Facebook. Sind Sie deshalb eine Ausnahmeerscheinung? Andere Autoren haben es möglicherweise deutlich schwerer, an ihre Zielgruppe zu kommen oder finden keine E-Book-affinen Leser.
Albers: Man muss schon bereit sein, die Werbetrommel zu rühren, mal einen Gastbeitrag für ein Blog schreiben oder - wie hier - ein Interview geben. Wer sich dafür per se zu schade ist, sollte diesen Weg nicht gehen. Gleichzeitig gilt: Der Long Tail im Internet macht es eben auch möglich, kleine Auflagen zu speziellen Themen für überschaubare Zielgruppen zu publizieren. Der Filter passiert heute nicht mehr bei den Lektoren der Verlage, sondern hinterher - bei der Empfehlung von Freunden über Facebook und Twitter.
Welchen Vorteil haben Sie durch den Selbstverlag? Das bereits erwähnte mehr Geld?
Albers: Normalerweise bekommt ein Autor um die 10 Prozent von jedem verkauften Buch. Bei "Meconomy" sind es - je nach Plattform, das Buch gibt es ja als PDF, EPUB, iPhone-App, Kindle-Buch und auf Papier - zwischen 40 und fast 100 Prozent. Außerdem habe ich die komplette künstlerische Freiheit, kann selbst bestimmen, wie zum Beispiel das Cover aussieht. Das ist normalerweise nicht der Fall.
Verlage haben ja nicht nur Vertriebsaufgaben, sondern helfen auch bei der Auswahl von Autoren, dem Lektorat und der Endproduktion. Sind diese Jobs noch notwendig? Wer hat sie bei Ihnen erledigt?
Albers: Viele dieser Aufgaben kann man auch mit freiberuflichen Experten erfüllen. Ich habe das Buch von einer bekannten Grafikerin gestalten lassen und einen professionellen Korrektor für das Lektorat gebucht. Ich will damit aber die kuratierende Aufgabe von Verlagen nicht kleinreden, die ja ihr Profil pflegen und darum streng sieben. Das ist heute so wichtig wie nie. Es ist nur nicht mehr der einzige Weg, auf dem Inhalte im weiteren Sinn zum Leser kommen.
Sie streuen Ihr Buch ja sehr breit - es wird, wie Sie bereits gesagt haben, in gleich mehreren E-Book-Formaten und eben in Buchform über einen Druckdienstleister angeboten. Welcher Weg hat sich als der Beste erwiesen?
Albers: Interessanterweise verkauft sich das simple PDF am meisten, vermutlich, weil da jeder weiß, dass es auf seinem Rechner oder Smartphone auf jeden Fall läuft. Die iPhone-App liegt an zweiter Stelle und das gute alte Papierbuch, das es bei mir als Print-on-Demand in vier verschiedenen Covervarianten gibt, holt kräftig auf.
Haben Sie Fallstricke erlebt?
Albers: Die verschiedenen Formate zu bedienen ist schon recht kompliziert gewesen, da muss man sich reinfuchsen. Schön wäre ein Standard, aber der ist nicht in Sicht. Insgesamt ging das alles aber irrsinnig einfach. Das hätte ich nicht so erwartet.
Apple hat sich insbesondere bei Apps als eine Art oberste Zensurbehörde etabliert - was dem Konzern nicht schmeckt, fliegt raus. Fürchtet man da nicht, dass es vielleicht auch mal das eigene Buch treffen könnte, wenn man ein wenig zu kontrovers schreibt?
Albers: Apple filtert nach meinem Kenntnisstand ja nur Nacktheit im Bild. Das trifft eher die Seite 1 der "Bild"-Zeitung. Erotische Literatur hingegen gibt es für iPhone und iPad jede Menge, die dominiert sogar die E-Book-Charts im iTunes-Store. Und ich schreibe ja populäre Wirtschaftssachbücher, da ist die Zensurgefahr eh gleich null.
Was planen Sie für Ihr nächstes Buch?
Albers: Erst mal kommt im September eine Hörbuchausgabe von "Meconomy", weil mir viele Leser gesagt haben, dass sie das Buch gern unterwegs oder beim Sport hören wollen. Zwei ganz tolle Hörbuch-Profis helfen mir, das zu realisieren. Und dann arbeite ich an einer englischen Übersetzung des Buches, denn den internationalen Markt kann man ja im Internet ganz leicht bedienen, und ich wurde schon aus diversen Ländern nach "Meconomy" gefragt. Ich probiere einfach all das aus, was normalerweise ein Verlag macht. Bisher läuft es verblüffend gut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen