Autonome entdecken Tourismus: Handy-Klauen gegen Gentrifizierung

Autonome Zeitschrift ruft Kampagne gegen Touristen aus. Tourismusbranche und Verfassungsschutz reagieren trotzdem gelassen.

Im Visier der Autonomen: Touristen in der Lobby des Hilton Hotels. Bild: dpa, Britta Pedersen

Die autonome Zeitschrift interim ruft eine militante "Antitourismus Kampagne 2011" aus. Der boomende Berlin-Tourismus sei Teil der Aufwertungs- und Verdrängungstendenzen in der Stadt - dagegen könne "sichtbare Alltagskriminalität" helfen.

Der Text aus der aktuellen interim beklagt eine "Ballermannisierung" Berlins: "Die Gentrifikation scheint einen grandiosen Sieg in in den Vierteln errungen zu haben, in denen sich der Kampf um Freiräume abspielt." Dagegen könne Folgendes helfen: "Geldbörsen und Handys im Vorbeifahren von den Tischen der Fressläden klauen, Autos anzünden, Hotels einwerfen, Müll verursachen, Touribusse bewerfen". Die folgende Polizeipräsenz werde die Kieze für Investoren unattraktiv machen, heißt es.

In der linken Szene findet der Aufruf wenig Anklang. "Dass wohl die meisten interim-Leser selbst Teil der kritisierten Gentrifikation sind, fällt hinten runter", heißt es in einem linken Internetforum. Auch die Antifaschistische Linke Berlin winkt ab. "Wir beteiligen uns an sozialen Kämpfen, nicht am Handyklauen", so Sprecher Lars Laumeyer.

Die interim wird seit 1988 konspirativ vertrieben, ihre Auflage liegt bei 2.000 Exemplaren. Zuletzt wurden mehrere Ausgaben verboten, die Bauanleitungen für Brandsätze enthielten. Es folgten Durchsuchungen linker Buchläden. Der Verfassungsschutz nennt die Antitourismus-Kampagne eine "Einzelstimme", die nicht ins Bild der hiesigen Autonomenszene passe.

Für den Stadtforscher Andrej Holm kann Tourismus tatsächlich Kiezaufwertung verursachen, durch Hotelneubauten oder die Umwandlung von Wohnungen in Ferienappartments. "Das kann aber nicht den Touristen angelastet werden." Vielmehr müsse die Tourismusbranche und die Politik regulierend eingreifen. Holm rechnet nicht damit, dass die interim-Kampagne großen Anklang findet. Eines sei aber gelungen: "Sie hat Aufmerksamkeit auf die Verknüpfung von Tourismus und Gentrifizierung gelenkt."

Tatsächlich wird diese Diskussion längst geführt: Ende November beschloss Friedrichshain-Kreuzberg verschärfte Bedingungen für Hostel- und Hotelansiedlungen. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) warnt bereits vor "Postgentrifizierungs-Protesten" - von Bewohnern hipper Kieze und einströmenden Eventtouristen.

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