: Autonome Neuköllner Antifa
Ein einfaches „Nazis raus aus Neukölln“ reicht der Gruppe nicht, zudem engagieren sie sich auch gegen Sexismus und Antiziganismus im Kiez
Berlin-Neukölln ist seit ein paar Jahren bekannt als der neue In-Bezirk. Mit eigener Kneipenmeile, Künstlerflair und anhängiger Gentrifizierungsdebatte. Seit im letztem Jahr Nazis verstärkt linke Kneipen und Veranstaltungsräume beschädigt haben und gegen Neuköllner Moscheen mehrfach Brandanschläge verübt wurden, hat Neukölln eine ganz neue Art der Bekanntheit erreicht.
Jana* von der Autonomen Neuköllner Antifa (ANA) erklärt die Vorfälle so: „Durch den Zuzug nach Neukölln wächst auch die linke Szene im Bezirk. Dagegen versuchen die Nazis sich zu wehren.“ Als Reaktion auf die rechten Angriffe entstand das Bündnis „Kein Ort für Nazis“ , das die ANA zusammen mit anderen linken Gruppen und VeranstalterInnen gründete. Das Bündnis organisierte im Dezember 2009 eine Demonstration sowie zweimalig den „Langen Tag gegen Nazis“, an dem die NeuköllnerInnen mit Aktionen wie Diskussionsveranstaltungen, Lesungen oder Filmvorführungen gegen die rechte Szene Stellung bezogen.
Als im vergangenen Dezember anlässlich einer Serie von Brandanschlägen eine Kundgebung auf dem Hermannplatz stattfand, verteilte die ANA einen Text zu den Hintergründen, der die Diskussion zum Thema anzuregen sollte. „Es geht uns darum, nicht nur eine Kundgebung zum Thema zu veranstalten, sondern auch um eine theoretische Auseinandersetzung damit, erklärt David* von der ANA. Entsprechend setzt sich innerhalb der ANA eine Gruppe speziell mit antimuslimischem Rassismus und rechter Israelsolidarität auseinander.
Die Antifa-Gruppe greift nicht nur kurzfristig ins aktuelle Geschehen ein, sondern leistet auch kontinuierliche Arbeit gegen rechte Bewegungen: Dazu gehört auch die Beobachtung der Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Neuköllns, um die dort immer wieder verlautbarten Diskriminierungen zu dokumentieren: Nicht nur die NPD, sondern auch der Bezirksbürgermeister Heinz Bukowski (SPD) ist bei der ANA für seine rassistischen Äußerungen bekannt. Ihre Beobachtungen veröffentlicht die ANA auf ihrer Webseite in einer Chronik. Sie ruft dazu auf, alltäglich erlebte Diskriminierungen per Mail an sie weiterzuleiten, damit auch diese in die Chronik aufgenommen und veröffentlicht werden können.
„In letzter Zeit nehmen die Naziaktivitäten in Neukölln wieder zu. Es gibt wieder mehr rechte Sprühereien und Sticker“, berichtet David. Ein einfaches „Nazis raus aus Neukölln“ dagegenzusetzen, reicht der ANA nicht. Genauso wenig, wie sie das gentrifizierungskritische „Yuppies raus aus Neukölln“ unterstützt. „Klar finden wir Mieterhöhungen doof, so Jana. Aber die Kritik an Yuppies und schicken Cafés richte sich gegen Luxus und Reichtum, was die ANA unverständlich fände. „Wir möchten Reichtum und nicht Blockhütten für alle“ lautet ihr Fazit.
Die Beschäftigung mit Antinaziarbeit ist aber nicht das Hauptanliegen der ANA. Es geht ihr genauso darum, aufzuklären und die Gesellschaft so grundlegend zu ändern, dass alle Menschen glücklich sein können. „Wir sind mehr als nur gegen Nazis“, erklärt David. Das zeigt sich auch an den Veranstaltungen, die die ANA regelmäßig organisiert. Schon zweimal hat sie sich am Bündnis „1000 Kreuze in die Spree“ beteiligt, das seit 2008 einen Trauermarsch der AbtreibungsgegenerInnen mit kritischen Störaktionen begleitet.
Außerdem organisiert die ANA jährlich am sogenannten Volkstrauertag eine Kundgebung, die das reaktionäre Heldengedenken auf dem Friedhof am Columbiadamm stören soll. Dazu hat sie auch eine Broschüre erstellt, die kostenlos per Mail oder in Infoläden erworben werden kann. Zum nächsten Heldengedenken im November ist eine Broschüre zum Columbiadamm-KZ geplant.
Antiziganismus ist ein weiteres Thema, mit sich die Gruppe auseinandersetzt. So kritisiert die ANA beispielsweise die Arbeit des Quartiermanagements Okerstraße, das für seine antiziganistischen Äußerungen bekannt ist. Auch eine Veranstaltungsreihe zum Thema Antiziganismus ist geplant.
Am 28. April organisiert die ANA in Neukölln eine Streetparade, die an den Tag der Befreiung Neuköllns durch die Rote Armee gedenken soll. Am 9. Mai unterstützt die Gruppe die jährlich stattfindenden Feierlichkeiten zum Tag der Befreiung Berlins am russischen Ehrendenkmal im Treptower Park. ZOÉ SONA
■ Termin: Streetparade am 28. April, Start 18.00 Uhr, am Rathaus Neukölln
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*Name redaktionell geändert