: Autofahren ist gar nicht billiger -betr.: "Mehr Straßenbahn ändert nichts am Autowahn", taz vom 3.2.94
Betr.: „Mehr Straßenbahn ändert nichts am Autowahn“, taz vom 3.2.94
Einiges an den Thesen von Klaus Haefner ist zwar in der Tat neu, aber leider wird auch unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaftlichkeit immer noch mit den altbekannten Halbwahrheiten argumentiert: Wenn schon das Defizit der BSAG zitiert wird, dann müssen auch vergleichbare Zahlen über den motorisierten Individualverkehr auf den Tisch. Ausgehend von den Kostenberechnungen des ADAC von 40-50 Pfennigen pro Fahrkilometer in der Mittelklasse und einer durchschnittlichen Besetzung von etwa 1,5 Personen pro PKW kommt man auch schon auf 133-167 Millionen DM für 500 Millionen Personenkilometer. „Weitaus billiger“ ist das Autofahren auch nur dann, wenn man das Halten eines PKW als obligatorisch voraussetzt. Das VBN-Abo für meinen täglichen Arbeitsweg von mehr als 40 km (einfache Entfernung) kostet mich monatlich 145 DM, wie sollte ich davon ein Auto finanzieren?
Pro Person hat der Autoverkehr etwa den zehnfachen Flächenbedarf wie die öffentlichen Verkehrsmittel. Berücksichtigt man lediglich Krankenhausaufenthalte und den vorzeitigen Tod der Verkehrsopfer, so ergibt sich ein ähnliches Verhältnis. Immer noch sind über 50 Prozent der Autofahrten kürzer als fünf Kilometer. Das sind nackte Zahlen, die wohlweislich verschwiegen werden. Dabei fällt natürlich großzügig unter den Tisch, daß die „Minderheit“, die nicht mit dem Auto fahren kann, gar nicht so klein ist und jeder auch hierzulande lange Jahre dazu gehörte und vielleicht noch dazu gehören wird.
Haefners Lösungsansatz wird allerdings ebenso scheitern wie das von ihm kritisierte ÖPNV-Konzept, denn die Autofahrer fahren eben nicht aus nüchternen Überlegungen mit ihrer Blechkiste hinaus. Sie ist die letzte Bastion der Freiheit im Großstadtdschungel ein Teil der Intimsphäre und nicht zuletzt ein Konsumartikel. Und solange die Wirtschaft darauf aufbaut, wird er mit seinen Vorstellungen nicht einmal bei seinen Parteigenossen auf offene Ohren stoßen. „Mit dem Auto zum Sport, das schafft Wachstum, wohin ist egal“, so lautet deren Divise.
In einem Punkt hat Haefner zweifellos recht, nämlich, daß man nur mit der Verbesserung des ÖPNV-Angebotes kein Umdenken bewirken kann. „Wer Straßen säht, wird Verkehr ernten“, so argumentieren Umweltschützer schon seit Jahren, offentsichtlich gilt das auch für andere Verkehrsmittel. Nur die Umlage der realen volkswirtschaftlichen Kosten auf die gefahrene Strecke mittels Benzin- bzw. Dieselpreiserhöhung plus Verengung des Straßenverkehrsnetzes werden zu einer Verringerung der Fahrzeugkilometer führen.
Werner Behrendt, Holste
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