Autobahn 100: SPD verpasst die Ausfahrt
Die SPD-Fraktion sträubt sich, den Ausbau der A 100 zu stoppen, wie es die Partei verlangt. Im Parlament kritisiert die Linke diese Sturheit - und provoziert Streit.
SPD und Linke fahren ungebremst auf einen Koalitionskrach zu: Die SPD-Fraktion hält am Planfeststellungsverfahren für die Autobahn 100 fest, die Linke will das Projekt stoppen. Die Verkehrspolitikerin der Linksfraktion, Jutta Matuschek, sagte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus: "Es gibt in Partei und Fraktion eine Mehrheit gegen den Autobahnbau." Sie warf der SPD-Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer, eine verfehlte Verkehrspolitik vor: "Mit großem Finanz- und Betonaufwand wird Verkehr in die Stadt hineingeleitet."
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Christian Gaebler, will die Autobahn dagegen weiterplanen. Und das, obwohl ein Landesparteitag der Sozialdemokraten am vorvergangenen Wochenende mit knapper Mehrheit den Stopp der Verlängerung der A 100 vom Dreieck Neukölln Richtung Norden gefordert hatte. Gaebler sagte, es sei nicht so, "wenn ein Parteitag etwas beschließt, dass das immer eins zu eins sofort umgesetzt werden muss". Einen Verzicht auf die Autobahn könne es "nur im Rahmen eines Gesamtkonzeptes" geben.
Das Planfeststellungsverfahren, das noch über ein Jahr lang dauern soll, sei "der richtige Rahmen" für so ein Konzept. Am Ende solle dann die Entscheidung getroffen werden, ob die Autobahn oder stattdessen etwa eine Stadtstraße gebaut werde. Autofahren sei "eigentlich nicht mehr zeitgemäß" - doch es sei der Wunsch der Bürger, Auto zu fahren. Den Grünen, die gegen die A 100 sind, warf er "Steinzeit-Fundamentalismus" vor. Mit "einfachen Wahrheiten" komme man nicht weiter.
Ein FDP-Abgeordneter fragte die Stadtentwicklungssenatorin, wie sie es denn finde, dass der SPD-Parteitag dem Umweltpolitiker Daniel Buchholz gefolgt sei. Junge-Reyer zeigte Herz: "Ich liebe den Abgeordneten Buchholz nach wie vor!" So eine "qualifizierte Diskussion" stärke die Partei, das wünsche sie auch den Grünen. Die Autobahn sei ihrer Ansicht nach richtig, denn die "Verkehrsnetze von Ost und West passen immer noch nicht zusammen". Der Verkehr, der derzeit durch die Wohnquartiere rolle, solle auf die Autobahn gelenkt werden. Das bedeute für die Kieze eine Entlastung von Lärm, Schmutz, Abgasen und Feinstaub: Die Autobahn bedeute "mehr Lebensqualität".
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig fand dieses Argument "schlicht peinlich". Das könne man doch nicht ernsthaft den Anwohnern der neuen Autobahn sagen. Durch zusätzliche Straßen werde zusätzlicher Verkehr in die Stadt gelockt. Sie forderte, die 420 Millionen Euro - die hauptsächlich vom Bund gezahlt werden - zum Beispiel für zusätzliche S-Bahn-Strecken auszugeben. Dazu müsse mit dem Bund nun verhandelt werden. Die Autobahn jedenfalls dürfe es auf keinen Fall geben.
Die CDU sieht das ganz anders. Die Partei, die sonst beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ein "absolutistisches Gehabe" erkennt und ihm vorwirft, wie ein "Sonnenkönig" zu regieren, forderte jetzt ein hartes Durchgreifen für die Autobahn. Wowereit müsse ein "klares Machtwort" sprechen und von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen, sagte der Unionsabgeordnete Rainer Ueckert: "Zeigen Sie endlich einmal Führungsstärke!" Die Unternehmen im Osten der Stadt würden von einer besseren Autobahnanbindung an den Flughafen Schönefeld und an das Umland profitieren.
Die von der Opposition gewünschte Abstimmung darüber, wie das Abgeordnetenhaus zu den Autobahn-Plänen steht, verhinderte die rot-rote Koalition: Die entsprechenden Anträge wurden in die Ausschüsse verwiesen. Die Koalition hat also ihren Zoff um die Autobahn vertagt - bis nach der Sommerpause.
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