Auswirkungen des Rauchverbots in Kreuzberger Kneipen: Nichtrauchen und Rauchen lassen
Das Rauchverbot hat die Kneipenlandschaft auf der Oranienstraße verändert. Doch nicht unbedingt im Sinne der Nichtraucherlobby. Ob mit oder ohne Zigarette, jeder Gast findet seinen Ort.
Das "Bateau Ivre" ist die perfekte Kneipe für die Gesundheitssenatorin. Wenn Katrin Lompscher (Linke) die positiven Folgen des Rauchverbots demonstrieren wollte, hier am Heinrichplatz würde sie fündig. Das "Bateau Ivre" ist groß. Es gibt durchaus Platz für einen Raucherraum, aber dennoch keinen einzigen Aschenbecher. Die Kreuzberger Kneipe ist komplett rauchfrei.
"Die Luft ist besser und meine Klamotten stinken nicht mehr so", freut sich der Typ hinter dem Tresen. Anfangs sei es schwierig gewesen. Aber wenn sich heute ein Raucher beschwere, dass seine Freiheit eingeschränkt würde, dann könne er den nicht ernst nehmen. "Hinter der Freiheitsdebatte, da steckt doch die Tabaklobby, die nirgendwo so mächtig ist wie in Deutschland", meint der Kellner. Der eine oder andere Raucher bliebe weg. "Aber dafür kommt eben die Mutter mit Kind", sagt der Mann und eilt davon. Er muss die Säfte abkassieren, die das Pärchen mit dem kleinen Jungen an einem der Holztische getrunken hat.
Das Rauchverbot hat die Berliner Kneipenlandschaft verändert. Das zeigt ein Testspaziergang am Nachmittag über die Oranienstraße in Kreuzberg. Doch längst nicht in allen zehn Gaststätten zwischen Heinrich- und Oranienplatz dürfte das Ergebnis die Nichtraucherlobby zufrieden stellen. Vier der Lokale sind per Türschild als Rauchergaststätten ausgewiesen. Zutritt haben nur Erwachsene. Zwei weitere Kneipen haben abgetrennte Räume für Raucher. Und bei nahezu allen stehen Ascher auf den Tischen draußen. Selbst beim "Bateau Ivre".
Auch beim "Aurora". Dabei müsste es bei der "Café-Bar" eigentlich umgekehrt sein. Denn die ist drinnen nicht einfach eine Rauchergaststätte. "Ab 18 Uhr gibt es auch Wasserpfeifen", erklärt die Bedienung. Und die Nichtraucher? "Ach, die gehen einfach raus!"
Blieben sie drinnen, könnten sie nicht nur Passivrauchen, sondern sogar essen. Zwar dürfen in Raucherkneipen keine Speisen zubereitet werden. Aber in der "Aurora"-Vitrine liegen Kuchenstücke und belegte Baguettes, einzeln in Plastik verpackt. Dafür gebe es eine Sondergenehmigung, erklärt die Bedienung. "Aufmachen dürfen wir die Verpackungen nicht, das müssen die Gäste selber tun."
In der Taqueria Florian sind die Betreiber radikaler. Vor die Wahl gestellt, die Raucher oder die Speisen rauszuschmeißen, entschieden sie sich für zweiteres. Nun dürfte das Florian weit und breit die einzige Taqueria sein, in der es weder Tacos, noch irgendetwas anderes zu essen gibt. "Ohne die Küche haben wir viel mehr Platz und viel weniger Arbeit", begeistert sich Mitbetreiber "Haller". An den Wänden hängen neuerdings vier große Schwarz-Weiß-Fotos. Sie zeigen Raucher. Und die Nichtraucher? "Die gehen halt woanders hin", sagt "Haller". Es gebe doch so viele Läden hier. "Da muss man jetzt auch nicht wieder rumeumeln."
Muss man nicht. Gleich nebenan im "Pfeiffers" werden Nichtraucher glücklich. Hier qualmt niemand. "Das würde auch nicht passen", erklärt die Frau hinter dem Tresen der schmalen Kaffee-Kuchen-Bar. Die Gäste lesen Zeitung, tippen auf ihren Laptops rum. Es sei mal ein Obdachloser reingekommen, der rauchen wollte, erzählt die Mitarbeiterin. "Sonst kommt so etwas nicht vor."
Gegenüber im "Elefanten" ist es genau umgekehrt. "80 bis 90 Prozent meiner Gäste sind Raucher", schätzt Walter Wolf, der das Lokal seit 1977 betreibt. Bei dem halben Dutzend Mittagsgäste liegt die Quote bei 100 Prozent. Als das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren das ursprünglich sehr rigide Rauchverbot gekippt hatte, "gab es hier ein kleines Feierchen", erzählt Wolf. Auch die heutige Regelung, nach der Raucherkneipen maximal 75 Quadratmeter groß sein dürfen, war für ihn kein Problem. Im Gegenteil. Aufgrund alter Pläne habe das Ordnungsamt den "Elefanten" zunächst als zu groß kritisiert. "Dann wurde der Laden neu vermessen", erzählt Wolf, "seither müssen wir sogar weniger Miete zahlen."
Nur größere Kneipen wie der "Bierhimmel" oder das "Café Luzia" sind nicht ganz glücklich mit ihrer Existenz als Zwitterwesen. Beide haben extra Raucherbereiche abgetrennt. Ausschlaggend waren zwei saftige Strafen vom Ordnungsamt, erzählt eine Tresenkraft im Luzia. Für die Mitarbeiter sei das nervig. Denn vor allem den vielen Touristen müsse man jedesmal die Regeln neu erklären. Da komme es schon mal vor, dass ein rauchender Gast seine Kippe wütend auf dem Tresen ausdrücke.
Das größte Problem, meint ein Gast in einer der Kneipen, seien aber nicht die Raucher, sondern die Kiffer auf dem Klo. Oder die militanten Nichtraucher, die sich selbst draußen über Qualm von Nachbartischen aufregen, stöhnt der Inhaber einer anderen Bar. "Denen sage ich dann immer: Nichrauchen könnt ihr drinnen." Rauchen übrigens auch. Auch wenn es offiziell niemand sagen will. Doch je später der Abend, desto lockerer wird mit den Regeln umgegangen. Fast überall.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?