Ausstieg aus dem Atomausstieg: Schwarz-Gelb kennt die Tücken
Der Ausstieg aus dem Atomausstieg ist schwierig, steht in einem CDU-Strategiepapier. Doch die Spitzen von Union und FDP tun so, als wüssten sie von nichts.

Schon drei Tage nach der Bundestagswahl bekamen die Parteispitzen das brisante Papier. Bild: dpa
BERLIN taz | Die Laufzeiten für alle 17 Atomkraftwerke in Deutschland zu verlängern, wird nicht einfach. Das haben Atomkritiker mehrfach erklärt. Dass auch CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel, FDP-Vizekanzler Guido Westerwelle und CSU-Parteichef Horst Seehofer um die Probleme wissen, haben sie bislang nicht erkennen lassen.
Dabei haben - so wurde jetzt bekannt - der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch und sein baden-württembergischer Exkollege Günther Oettinger die Tücken des schwarz-gelben Wahlziels längst im "Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie" aufgelistet.
Schon drei Tage nach der gewonnenen Bundestagswahl schickten die Länderchefs den Parteispitzen das Papier zu. Im Anschreiben heißt es, es bedürfe "umfangreicher rechtlicher Regelungen und Vereinbarungen", damit die Meiler länger am Netz bleiben können.
In der öffentlichen Debatte hören sich die Ministerpräsidenten der Union derzeit anders an. Sie attackieren CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen, seit dieser vor einigen Tagen seine Partei davor gewarnt hat, "die Atomenergie zum Alleinstellungsmerkmal" zu machen.
In Hessen und Baden-Württemberg stehen mit Biblis A und Neckarwestheim die beiden Meiler, die nach dem derzeit geltenden Gesetz als Nächstes stillgelegt werden müssen. Die Länderchefs wollen dies nicht. Ihr Wunsch habe es jedoch in sich, erklären Koch und Oettinger - mittlerweile EU-Energiekommissar - im Strategiepapier unverblümt. Politiker von Union und FDP werben gerne damit, dass Atomstrom Energiekosten senkt. "Die Kausalität" ließe sich "möglicherweise nicht dauerhaft nachweisen", schreiben die zwei. Und: Es sei "schwer vorstellbar", im Gegenzug zur Laufzeitverlängerung eine "verbindliche Verpflichtung zur Senkung der Strompreise" festzulegen.
Auch die Zusatzgewinne der Betreiber - pro Reaktor und Extrajahr Laufzeit seien das 400 bis 800 Millionen Euro - ließen sich nur schwer abschöpfen. Eine gesetzliche Regelung scheitere womöglich am Verfassungsgericht. Darum solle es einen Vertrag mit Energiekonzernen geben. Die Gewinne sollen in eine Stiftung für Ökoenergie gehen.
Oettinger und Koch sorgt die Sicherheitsdebatte: In der Öffentlichkeit gehe es vor allem um "mangelnden Schutz gegen Flugzeugabsturz". Um dem "plakativ" entgegenzuwirken, sollten Atomkraftwerke einen "baulichen Schutz gegen Flugzeugabsturz" erhalten. Die zwei Länderchefs fürchten zudem, dass eine Zustimmung des Bundesrats nötig werden könnte. Das verzögere alles - zumal bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die schwarz-gelbe Mehrheit in der Länderkammer kippen könnte.
Leser*innenkommentare
Investorix
Gast
Zwei grundlegende Probleme bleiben doch bei der Atomkraftnutzung:
Das erste Problem ist der Mensch selbst. Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler und Selbstüberschätzungen, früher oder später, unvermeidlich. Tote im Straßenverkehr, ärztliche Kunstfehler, Finanzkrisen.
Ein schwerer Störfall bei einem Atomkraftwerk nur alle hunderttausend Jahre (auch das eine menschliche Einschätzung, s.o.)? Wie schnell tausend Jahre vorbei sein können, hat man in der Geschichte doch schon öfters gesehen.
Und die möglichen Folgen sind nahezu unbegrenzt. Wir spielen "Alles oder Nichts".
Das zweite Problem ist der radioaktive Abfall. Die sichere Lagerung über Jahrhunderttausende ist gnadenloser (Selbst)betrug. (Etwas von Problem 1 steckt hier auch noch mit drin.)
Als Ausgleich für diese Bedrohungen wird nun eine Abschöpfung eines Teils - vielleicht der Hälfte - der zusätzlichen Gewinne (geschätzt 400 - 800 Mio. pro AKW und Jahr) für die "Energieforschung" in die Diskussion gebracht.
Das hört sich ja super an, für 2,50 - 5,00 € pro Bundesbürger und Jahr für jedes Kernkraftwerk sollen wir prinzipiell unbegrenzte Risiken tragen und die Büchse der Pandora mit noch mehr Atommüll füllen?
Ich weiß wirklich nicht, was diese Volksvertreter umtreibt und hoffe, dass dieser Wahnsinn jetzt endlich ein Ende findet.
Es läßt sich doch auch niemand für einen Euro ein paar Tage lang irgendwo auf Bahngeleise ketten - selbst wenn die Schienen rostig sind.
Horst
Gast
Na ich will mal ein Entwicklungsland sehen, dass über einen hinreichend entwickelten Maschinenbau für Windkrafträder verfügt...
Hans
Gast
Die Energieunternehmen machen einen wesentlichen
strategischen Fehler. Auf Seiten des Energeangebots
giebt es Strom aus alternativen Quellen.Der etwas
teurer ist.
Warum giebt es keinnen Strom aus Kerenenegie im
Angebot, der etwas billiger ist. Die Kernenergie-
unternehmen haben nicht richtig strategisch gekämpft.
Sie haben den Ausstiegsvertrag unterschrieben.
Was für Pfeiffen sitzen dort. Sie sind zu blöd ihren
Preisvorteil auszuspielen. Allmählich denke ich:
sie verdienen ihre Pleite. Südkorea biete jetzt
auf dem Weltmartkt Kernkraftwerke an. Deutschland
Windkraftwerke, die jedes Entwicklungsland selbst
bauen kann.
Umweltminister Röttgen ein Beispiel für den Nieder-
gang der deutschen Wirtschaftseliete. Wer wehrt sich
eigentlich noch, gegen unser Wohlstandsverschleuderung. Keine alternative Energie
kann leben ohne die Subvention der Blürger.