■ Ausstellung zeigt „BZ“-Händlerschürzen aus der „Sammlung Salzl“: Berlins größte Zeitung – Fälschung? Quatsch? Oder was?
Berlin (taz) – Warum die schöne Linda Evans sich Pferdemist ins Gesicht schmiert.
Die BZ von Springer, das ist eine Art Bild-Zeitung für Berufsberliner. Blut- und Hodenthemen wie in jedem Gossenblatt – nur daß sie aus Berlin sein müssen. Unbedingt. Das ist sogar die Hauptsache. Hauptsache Hauptstadt – ein Frontstadtstolz, dessen Infantilität nur noch von den täglichen Busenbildern übertroffen wird. Da plaudern die nackten Frauen über von Redakteuren imaginierte Hobbys und Wünsche: „Sylke träumt von einem Trip mit dem Jeep durch die Wüste“. Oder: „Peggy glaubt nicht nur an mehr oder weniger kleine grüne Männchen oder an Ufos – sie träumt sogar von einer Reise durchs Weltall“.
Schreinemakers: Ich aß meine Tapete.
Manchmal aber legen die BZ- SchreiberInnen, die ihr Blatt bescheiden „die größte Zeitung Berlins“ nennen, geradezu literarische Adern bloß. Beispielsweise anläßlich der beleidigten Abreise des chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng von seinem Besuch in Berlin. Wegen Menschenrechtsprotesten war der Chinese früher abgedüst. Da titelten die Springerknechte und -mägde: „Peng, weg war er!“ Dann und wann huldigen sie auch Dada: „Die Parkuhren gehen falsch“. Wolkenfilmer Wim Wenders wird schon mal fast taz- mäßig in die Pfanne gehauen und als VW-Golf-Fahrer geoutet, der Einbahnstraßen in der verkehrten Richtung nimmt.
Hitler-Porno aus Berlin – Fälschung? Quatsch? Oder was?
Doch in Wirklichkeit ist die BZ völlig überflüssig. Schon allein weil es in einer Stadt, die keine Boulevards hat, auch keine Boulevardzeitungen gibt. Noch verzichtbarer wird die BZ aber durch ihre eigenen täglichen Werbeplakate für die Zeitungsläden und Kioske. Diese im Fachslang Verkaufsschürzen oder auch Händlerschürzen genannten Poster sind das wahre Destillat – um nicht zu sagen höchste Kunst der Realsatire.
Honi in Chile – Heiße Küsse in der Sonne.
Uwe Salzl (34), Architekt im Stadtteil Prenzlauer Berg, hat dies bereits vor zwei Jahren erkannt. Seitdem sammelt er die BZ-Verkaufsschürzen. Jeden Tag legt ihm seine Zeitungsfrau gegen Trinkgeldaufschlag das Werbeplakat zurück; etwa alle zehn Tage ist eins dabei, das unbedingt aufgehoben werden will. Eine Auswahl von 25 Plakaten der „Sammlung Salzl“ wird jetzt noch bis Ende Mai in der Berliner Schwulenkneipe „Stiller Don“ ausgestellt.
Berlin: Junge Frau zu laut bei der Liebe, Nachbar holte die Polizei.
Meint Salzl zu seiner Sammlung: „Die BZ könnte sich durchaus darauf konzentrieren, nur die Schürzen zu machen. BZ – die Beilage zum Plakat, so hat sie eine Berechtigung.“ Die Werbung sei noch blöder als die Schlagzeilen. Nämlich blöd-blöd.
Queen schockiert: Schloß brennt, nix versichert.
Auslöser für die Sammelleidenschaft von Salzl, der selbst kein BZ-Leser ist, war ein BZ-Plakat mit einer Lady-Di-Story, das in der Küche seines Exfreundes hing.
Prinzessin Di durchgedreht: Ich war eine Nonne, ich wurde grausam behandelt.
„Aus dem üblichen Rahmen gelöst, fiel mir die besondere Qualität dieses alltäglichen Schwachsinns erstmals auf. Ein Aha-Effekt. Wenn die Plakate gerahmt und aufgehängt sind, glauben viele Leute ja nicht, daß die Dinger echt sind. Die denken ich hätte die verfremdet.“ Außerdem gefällt Salzl die graphisch konsequente Machart: „Schwarz, weiß, rot – das klassische Plakat.“
Der kleine Unterschied: Warum Mann und Frau nicht zueinander passen.
Uwe Salzl, der sich auch im soziokulturellen Zentrum „Pfefferberg“ im Prenzlauer Berg engagiert, konzentriert sich grob auf fünf Sammelgebiete: Sex, Frauen, Kriminalität, DDR/Stasi und englisches Königshaus.
Ost-Minister klaute Pornoheft.
Salzl: „Politik taucht fast nur dann auf dem Plakat auf, wenn Sex oder Saufen im Spiel ist.“ Sein Lieblingsplakat ist und bleibt aber das nebenstehende: Wer dumm ist, hat mehr Spaß am Sex. Hans-Hermann Kotte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen