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Ausstellung im SchifffahrtsmuseumAuf dünnem Eis

Frank Rödel hat sich als Künstler auf Reisebegleitungen spezialisiert. Jetzt werden seine Eindrücke von der 27. Expedition der Bremerhavener "Polarstern" gezeigt.

Besonders die bizarren Formationen haben es dem Künstler angetan: Eisberg.

BREMERHAVEN taz | Als das Bremerhavener Forschungsschiff „FS Polarstern“ am 28. November 2010 von Kapstadt in die Antarktis aufbrach, war auch ein Künstler an Bord: Frank Rödel dokumentierte die 27. „Polarstern“-Expedition zum Südpol als „Artist In Residence“. Vor der Reise habe er sich „schon ein bisschen mulmig“ gefühlt, sagt Rödel – kein Wunder, schließlich ist die menschenleere Gegend, auf die sieben Nationen Ansprüche erheben, mit einer Durchschnittstemperatur von minus 55 Grad nicht gerade lebensfreundlich.

Die Ergebnisse von Rödels Reise sind seit Dezember im Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven zu besichtigen: grandiose Landschaftsfotos, raue Seestücke sowie düstere Eis- und Felsmassen in Öl. Plus Collagen mit braunstichigen Impressionen von Roald Amundsen und Robert F. Scott, die sich 1911 einen dramatischen Wettlauf zum Südpol lieferten, den Scott nicht überlebte.

Besonders die bizarren Eisbergformationen haben es dem in Berlin lebenden Künstler angetan. „Heute haben wir die ersten ausgedehnten Eisfelder erreicht. Rabenschwarze Nacht, durchschnitten von 3 gewaltigen Eisscheinwerfern“, notierte er am 11. Dezember in seinem Reisetagebuch. Und tags darauf: „Schollen werden krachend und knirschend beiseite gedrängt, umgewälzt und rauschend überflutet, dabei die schönsten Nuancierungen aller erdenklicher Blau- und Türkistöne freigebend, gehöht von strahlendstem, kaltem Weiß. Ein komplementäres Spektrum an Ockertönen aus Algenbewuchs an den Unterseiten der sich aufbäumenden Eisplatten sorgt für eine reduzierte Buntheit.“

„Terra Incognita“ heißt die Ausstellung in Bremerhaven. Von einer „unverstandenen Welt“ dagegen spricht der wissenschaftliche Koordinator der Expedition, Eberhard Fahrbach, dessen Wochenberichte der „Polarstern“-Fahrt 2010/11 ebenfalls im Ausstellungskatalog abgedruckt sind. Der Südkontinent Antarktika sei zwar weitgehend erkundet, trotzdem gebe noch offene Fragen: So sei etwa die genaue Fläche des Festlandes unbekannt, weil das Schelfeis darüber hinausragt.

Während auf dem nahezu komplett mit Eis bedeckten Land nur sehr wenig Flora und Fauna gedeihen, ist das Leben unter Wasser deutlich vielfältiger. Ab dem zweiten Tag der Reise sammelten die Wissenschaftler der „Polarstern“ Daten im Südpolarmeer, nach Silvester waren die Krill-Forscher dran, deren Arbeit Fahrbach nüchtern und sachlich beschreibt.

Der Künstler Rödel dagegen sieht am zweiten Weihnachtstag einen riesigen „Eisberg von ganz außergewöhnlicher Architektur, ein gigantisches Fenster umrahmend, der aus der Vogelperspektive des Heli tiefe Einblicke in sein Unterwasserleben vom leuchtenden Türkis zu unergründlichem Indigo freigab“.

Außer zu Gemälden haben ihn Eindrücke wie diese zu Digitalfotos inspiriert, die wie hyperreale dreidimensionale Bilder wirken: Das Eis glänzt in der Sonne, schimmert transparent im tiefblauen Wasser. Die Fotos sehen so „echt“ aus, als stünde der Betrachter neben dem Fotografen.

Rödel, 1954 in Weimar geboren und in den 1980ern Student und Meisterschüler an der Berliner Hochschule der Künste, ist Reisekünstler: Zwischen den USA und Japan, zwischen der Arktis und Südeuropa hat er viele Länder gesehen, erlebt, gemalt. Dennoch waren die Wochen auf der „Polarstern“ eine besondere Herausforderung für ihn: Der Blick über die Reling oder aus dem Helikopter bedeutete „ein gewaltiges Stück Reduzierung für mich, der ich gewohnt bin, Landschaft zu erschreiten, zu berühren und körperlich zu erfahren“, schreibt er ins Antarktis-Tagebuch.

Als die Expedition in der Nacht vom 21. auf den 22. Januar die Marguerite Bay und Adelaide Island erreicht, jubelt Rödel: „Endlich Rothera, endlich festen Boden unter den Füßen. Den ganzen Tag allein und staunend zwischen Pinguinen, Weddellrobben, Seeelefanten und Eisbergen verbracht. Exzessiv fotografiert. Geträumt. Glücklich.“

Und selbst Eberhard Fehrbach schwärmt: „Alles geschah im strahlenden Sonnenschein vor einer märchenhaften Kulisse.“ Zufrieden gehen Forscher und Künstler der „Polarstern“ am 5. Februar 2011 im chilenischen Punta Arenas an Land und fliegen zurück nach Deutschland.

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