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Ausstellung des Malers Franz RadziwillDer Künstler als Hilfspolizist

Eine Doppelausstellung in Dangast und Wilhelmshaven beschäftigt sich mit dem Maler Franz Radziwill. Ein Rundgang mit dessen Tochter Konstanze.

Von Beruf Tochter: Konstanze Radziwill vor Bildern ihres Vaters. Bild: dpa

DANGAST/WILHELMSHAVEN taz | Sie ist hier im September 1947 geboren, ist hier aufgewachsen, in dem kleinen Haus in der Sielstraße 3, im friesischen Ort Dangast: Konstanze Radziwill, Tochter des Malers Franz Radziwill. "Ich bin von Beruf Tochter", sagt sie, "ich wollte mich immer raushalten, denn zwischen Weißwäscherei und Vatermord gibt es wenig Spielraum."

Doch nun steht sie in ihrem Elternhaus, führt durch den ersten Teil der Ausstellung "Der Maler Franz Radziwill im Nationalsozialismus". Was sie ärgert: Wenn so getan wird, als würde erst jetzt Radziwills Rolle in den NS-Jahren thematisiert: "Das ist kein heißes Eisen, das endlich mal angepackt wird", sagt sie. Das Archiv ihres Vaters sei zugänglich, die Franz Radziwill Gesellschaft, deren Mitglied sie ist, habe sich schon in der allerersten Veröffentlichung dem Thema gewidmet.

"Er war damals eindeutig kein Demokrat", sagt Ivo Kügel, Vorsitzender der Gesellschaft, und zitiert Radziwills Ausspruch von 1933, wonach Deutschland eine Diktatur brauche. "Für ihn war Weimar kein Ideal", sagt Kügel über den Maler, der in jenem Jahr in die NSDAP eintrat, nachdem er vorher Mitglied der linken Künstlervereinigung "Novembergruppe" um Georg Grosz war.

Radziwill ist Anhänger des so genannten "nationalbolschewistischen" Flügels der Partei - der spätestens mit der Entmachtung Ernst Röhms und seiner SA im Juli 1934 jeden Einfluss verliert. Danach schwankt der Maler zwischen Zuspruch und Ablehnung, was entsprechend erwidert wird: Immer wieder werden seine Bilder beschlagnahmt, zugleich ist er etwa von 1935 bis 1937 "NSDAP-Kreiskulturhauptstellenleiter" von Friesland.

"Die Fakten sind da eindeutig, die Bewertung fällt natürlich unterschiedlich aus", sagt seine Tochter. Oben im ersten Stock hängt über dem Klavier Radziwills Werk "Stahlhelm im Niemandsland" von 1933, als er Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie wurde: Ein düsteres Bild, erdbraun gehalten, das wenig Heroisches ausstrahlt. Es dürfte den Nazis eher nicht gefallen haben.

Auf dem Weg nach Wilhelmshaven, wo der zweite und größere Teil der Ausstellung zu sehen ist, stoppen wir kurz am Dangaster Strand, erste Spaziergänger liegen im Sand. Konstanze Radziwill weist auf die Gaststätte "Kurhaus", in der ihr Vater mal Hausverbot hatte, weil er sich mit deren Besitzer überworfen hatte. Es geht an der "Klause" vorbei, die einzige Nacht-Bar weit und breit und für die heranwachsende Konstanze lange ein geheimnisvoller Ort. Sie zeigt den Strand entlang: "Mein Vater war später eine Art Hilfspolizist, ausgestattet mit einer Trillerpfeife, wohl um abends die Liebespaare zu verjagen. Ich hab als Kind immer von einem ,durchgedrehten Veteranen' gehört, dem man besser aus dem Wege gehe."

Bei der Autofahrt nach Wilhelmshaven erzählt sie, wie die Faszination und die Ablehnung der Technik, die das Werk Radziwills durchzieht, sich ganz alltäglich für ihren Vater ausdrückte: "Wir hatten nie ein Auto, obwohl mein Vater immer gerne bei anderen mitgefahren ist." Sie weist auf die flache friesische Landschaft mit ihren Entwässerungsgräben und Knicks: "Hier standen früher jede Menge Bunker. Mein Vater hat ständig Bunker und Kirchen gezeichnet." Wohl, weil sie beide den Menschen schützen sollen und weil sie beide so einsam und verloren wirken, wenn niemand in ihnen weilt.

In der Kunsthalle Wilhelmshaven hängen sie dann, die auf den ersten Blick martialischen Ölbilder mit Schlachtschiffen, herabstürzenden Flugzeugen und wenigen Menschengestalten, die meist dem Betrachter den Rücken zukehren: Das Ölgemälde "Beschießung von Almeria", das den Angriff des Schlachtschiffs Admiral Scheer im Mai 1937 auf die spanische Stadt, in der die republikanische Flotte lag, darstellen soll und dem die sonst so typischen malerischen Irritationen Radziwills fehlen. Es hängt sein "Auslaufendes U-Boot" von 1936 - ein Werk, das bis heute zu widersprüchlichen Interpretationen Anlass gibt. Die einen verweisen mit Blick etwa auf den Marinemaler Claus Bergen darauf, das hier nicht die siegreiche Rückkehr eines U-Bootes dargestellt wird, sondern dessen einsame Fahrt ins absolut Ungewisse. Die anderen macht skeptisch, dass dieses menschenleere Bild Gefallen bei der Kriegsmarine fand, die es in Auftrag gab.

Zwei Felder sieht Konstanze Radziwill, auf denen die historische Forschung noch fündig werden könnte, um den Weg ihres Vaters durch die NS-Zeit weiter zu erhellen: Radziwills Hinwendung zur Bekennenden Kirche ab 1937, die sich nicht nur gegen die offizielle, sich den Nazis andienende Amtskirche stellte, sondern auch eine Art Sammelbecken für enttäuschte NS-Anhänger wurde und ihnen Halt gab. Und dann gibt es da noch den unbearbeiteten, recht umfangreichen Briefwechsel Radziwills mit dem Berliner Bildhauer Günther Martin. Der war Obmann der Ateliergemeinschaft "Klosterstraße", in der Künstler von 1933 bis 1945 aus dem Umfeld der KPD wie der NSDAP unterkamen - und sich immer wieder halfen.

Die Arbeitsthese der Tochter: Der erste Weltkrieg habe Radziwill wie viele seiner Generation traumatisiert. Zwei Brüder starben, sein Vater erlebte den sozialen Abstieg vom Handwerksmeister zum Fließbandarbeiter. "1919 kommt mein Vater aus dem Schützengraben und aus der Kriegsgefangenschaft zurück, Ende der Zwanziger fasziniert ihn zunehmend der Nationalsozialismus - das wäre eine Inkubationszeit von zehn Jahren", sagt sie.

Die Traumata der Kriege wirken sich aus bis in ihre Kindheit: "Mein Vater rechnete lange mit einem dritten Weltkrieg. Wenn er im Konsum Unmengen von Schiffszwieback und Klopapier einkaufte, dann war das für mich als Kind nicht nur skurril."

Auch in Wilhelmshaven gehen wir ans Wasser: Weit kann der Blick rüber nach Dangast schweifen, vorbei an dem Leuchtturm, der mitten im Jadebusen steht. "Wie oft haben wir in der ,Klause' auf den armen Leuchtturmwärter angestoßen!", sagt Konstanze Radziwill. Der wurde längst durch Elektronik ersetzt, der man schlecht zuprosten kann.

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