Ausstellung "Die Kunst der Aufklärung": Trophäen im Haus der Macht
Die größte deutsche Ausstellung, die je im Ausland zu sehen war, wird im Tempel der neuen chinesischen Stärke gezeigt. Das entspricht dem Geist von Chinas Kulturpolitik.
Freundlich ging es zu, als die größte jemals im Ausland gezeigte deutsche Kunstausstellung eröffnet wurde. Der eigens angereiste deutsche Außenminister Guido Westerwelle sagte, welch "große Ehre" das alles für die Deutschen sei. Martin Roth, Leiter der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, sprach von der Aufklärung als "Morgenröte der Vernunft." Davon, dass es da eigentlich einen Skandal gab, sprach niemand.
Die chinesische Regierung hatte einem Mitglied der Delegation, dem Sinologen Tilman Spengler, die Einreise verweigert, weil er im vergangenen Jahr eine Laudatio auf den inhaftierten Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo gehalten hatte. Doch darüber kein Wort.
Als höchstrangige Vertreterin Chinas begrüßte die Staatsrätin Liu Yandong die Schau im neu renovierten Nationalmuseum am Pekinger Platz des himmlischen Friedens als Beweis für die guten Beziehungen beider Staaten. Liu ist Mitglied des 15-köpfigen Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas und damit die mächtigste Frau des Landes.
Es folgte ein Rundgang durch die drei großen Räume im zweiten Stock. Die Ausstellung zeigt insgesamt 580 Exponate aus dem 18. Jahrhundert und einige zeitgenössische Kunstwerke, welche die Dresdener Sammlungen zusammen mit Museen in Berlin und München für ein Jahr geliehen haben. Zum Schluss spielte die Sächsische Staatskapelle Dresden Ludwig van Beethovens dritte Sinfonie, die "Eroica".
Sammelsurium aus Elementen des sozialistischen Realismus
Gewöhnliches Publikum darf erst ab dem Wochenende durch die Hallen dieses größten Museums der Welt strömen. Das Gebäude symbolisiert die Größe und Macht des neuen Chinas. Hinter der alten Fassade wurde kräftig angebaut, aus 35.000 Quadratmetern wurden 191.900 Quadratmeter. Für rund 250 Millionen Euro entstanden 49 Ausstellungshallen, ein Kino, ein Auditorium und eine gewaltige Lobby von 260 Metern Länge, 34 Metern Breite und 27 Metern Höhe.
Die Architekten der deutschen Firma Gerkan, Marg und Partner haben den 1959 im Sowjetstil errichteten Bau zusammen mit einem chinesischen Planungsbüro modernisiert und vergrößert. Wo zuvor ein Revolutions- und ein Geschichtsmuseum untergebracht waren, sollte ein repräsentatives Nationalmuseum entstehen.
Dies entspricht ganz dem Geist der Pekinger Kulturpolitik der Gegenwart, die die "Erneuerung der chinesischen Nation" propagiert.
Hinter diesem Konzept der Kommunistischen Partei verbirgt sich ein Sammelsurium aus Elementen des sozialistischen Realismus, der Rückgriff auf klassische Philosophen, die Unantastbarkeit der KP-Herrschaft und die Suche nach einem neuen Selbstverständnis der Chinesen als Bewohner eines lange gedemütigten und heute zunehmend mächtiger werdenden Staates.
Von der Idee des deutschen Architekten Meinhard von Gerkan, das Foyer zu einem "großen Forum der Bürgerbegegnung" umzugestalten, blieb wenig übrig: Gewünscht ist kein quirliges Durcheinander, sondern ein geordneter Besucherstrom.
Neben großen Dauerausstellungen mit Kunstwerken aus allen chinesischen Epochen und einer Schau von Politgemälden aus jüngerer Zeit ist reichlich Platz für wechselnde Präsentationen. Kritischere Kunst, wie sie in zahlreichen privaten Galerien Pekings zu sehen ist, dürfte hier allerdings nicht gezeigt werden.
Die "Kunst der Aufklärung" wird kaum, anders als in Deutschland gern propagiert, als Botschaft des freien Geistes an eine repressive Politik in China verstanden, eher als Sammlung schöner Kunstwerke und interessanter Geräte aus dem alten Europa. Und sie passt gut ins Konzept der chinesischen Kulturpolitik: "Die europäische Aufklärungsidee wurde zur wichtigen Referenz für das chinesische Volk während der Überwindung der feudalen Unterdrückung, im Kampf gegen ausländische Aggressionen und auf dem Weg zur Wiederbelebung des Volkes", schreibt Lü Zhangshen im Ausstellungskatalog, der Leiter des Nationalmuseums.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!