Ausländerfeindlichkeit in Südafrika: Terror in den Townships
Die Gewalt gegen afrikanische Einwanderer in Armenvierteln von Johannesburg ufert immer weiter aus. Die Behörden sprechen von 22 Toten und tausenden Vertriebenen.
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JOHANNESBURG taz Mit blutenden Gesichtern und hässlichen Wunden fliehen Menschen täglich aus Armensiedlungen rund um Südafrikas Wirtschaftsmetropole Johannesburg. Angst um ihr Leben treibt sie in Polizeistationen oder Krisenzentren von Hilfsorganisationen. Dort finden sie Unterschlupf vor dem Hass südafrikanischer Nachbarn, die ihre Hütten anstecken, ihre Habe stehlen und Frauen vergewaltigen. Seit Sonntag sind es auch Gangs, die mit Stöcken bewaffnet Jagd auf Ausländer machen, denn die meisten Opfer sind Migranten aus anderen Ländern Afrikas.
Seit letzte Woche im Township Alexandra in Johannesburgs Norden zwei Menschen bei Angriffen ums Leben kamen, breitet sich der Terror wie ein Flächenbrand aus. Die Todesmeldungen erhöhen sich fast stündlich: Montag früh hieß es, dass allein am Wochenende 13 Menschen gestorben seien und etwa 2.000 ihr Dach über dem Kopf verloren hätten, mittags wurde die Zahl der Toten mit 22 angegeben. Niemand weiß vorherzusagen, in welcher Ecke einer Ansammlung von Bretterhütten jemand zur Zielscheibe wird.
Die Regierung hat schwerbewaffnete Polizeitruppen in Townships und Armensiedlungen von Johannesburg geschickt, um den Mob auseinanderzutreiben. Aber die Anspannung steigt. In der Nacht von Sonntag auf Montag suchten 300 Menschen, hauptsächlich Immigranten, in Cleveland, einem Teil der Johannesburger Innenstadt, in der Polizeistation Schutz. Kleinere Geschäfte waren geplündert und Autos in Brand gesteckt worden. Jugendbanden brechen auch in Wohnungen ein, die von oft illegalen Einwanderern in heruntergekommenen Blocks in Slum-Gegenden benutzt werden. Laut jüngsten Meldungen zerstörte ein Feuer nahe einer Industrieansiedlung 50 Hütten von Ausländern, und in der Armensiedlung Primrose in East Rand östlich von Johannesburg starben Menschen aus Mosambik. Opfer gibt es auch in weiteren Townships im Osten der Stadt wie Thokosa und Katlehong; in Thembisa gab es zwei Tote, angegriffen oder erstochen wegen eines fremden Akzents.
Viele Immigranten stammen aus Simbabwe, von wo aus wegen der Krise Millionen Menschen nach Südafrika ausgewandert sind. Doch nicht nur aus diesem Nachbarland oder anderen wie Mosambik und Malawi kommen Menschen, die in Südafrika auf ein besseres Leben hoffen. Sie finden ihre Wege aus der Demokratischen Republik Kongo, aus Uganda, Kenia, Tansania, Somalia, Sudan und vielen anderen Ländern. Ihr Vergehen aus Sicht ihrer südafrikanischen Angreifer: Sie sprechen eine andere Sprache, sie schaffen sich eine Existenz per Kleinhandel mit Stoffen oder Obst, sie finden illegal einen Job für weniger Geld als die übliche Rate. Sie sind die Sündenböcke für Südafrikas soziale Probleme, werden beschuldigt, Arbeit wegzunehmen und kriminell zu sein. Ausländerfeindlichkeit ist seit der Demokratisierung des Landes immer wieder aufgetaucht, doch nicht in solchem Ausmaß, dass internationale Hilfswerke wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) und das Internationale Rote Kreuz in Polizeistationen tätig werden müssen, um Verwundete zu betreuen und nach Vermissten zu fahnden.
MSF spricht von einer humanitären Krise und das Südafrikanische Rote Kreuz hat zu Notspenden in Höhe von einer Million Rand (100.000 Euro) aufgerufen - für Essenspakete, Decken und erste Hilfe. MSF-Arzt Eric Goemaere sagt: "Dies erinnert mich an eine Flüchtlingssituation. Ich habe Schusswunden behandelt, Menschen, die geschlagen wurden, Vergewaltigungsopfer, Verzweifelte." Die Polizei sei hilflos: "Sie können nur reagieren, aber nicht schützen." Auch Bischof Paul Verryn, der in der Methodistenkirche in Johannesburgs Innenstadt über 1.500 meist simbabwische Immigranten beherbergt, geht davon aus, dass die Polizei die Situation nicht unter Kontrolle hat. Eine Gruppe von Schlägern hatte auch die Kirche aufgesucht, und mehr als 300 Immigranten flohen gestern früh auf die Straße. "Die Armen greifen die Armen an", sagt er. "Und es kommt ein kriminelles Element dazu. Man stiehlt das Eigentum der Ausländer, es gibt Plünderungen."
Es sind jedoch nicht nur Ausländer, sondern die Gewalt richtet sich auch gegen Südafrikaner, die mit einem Nichtsüdafrikaner verheiratet sind oder die auf Zuruf nicht in einer der gängigen Sprachen wie Zulu antworten. Südafrikas Regierung hat die Angriffe verurteilt. Präsident Thabo Mbeki hat eine Untersuchungskommission eingerichtet. ANC-Präsident Jacob Zuma entrüstete sich in einer Rede: "Ausländerfeindlichkeit hat keinen Platz in unserem demokratischen Land."
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