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Ausgezeichnet mit dem Leibniz-PreisEine reine Männerrunde

Der Leibniz-Preis gilt als Deutschlands inoffizieller Nobelpreis. Acht Forscher wurden dieses Jahr dafür auserwählt. Frauen waren nicht dabei.

DFG-Präsident Peter Strohschneider stellt die Leibniz-Preisträger vor. Bild: imago/Xinhua

BERLIN taz | Der Hörsinn macht keine Pause, ist ständig in Betrieb. An der Uni Göttingen untersucht der Physiologe Tobias Moser, wie die Haarsinneszellen im Innenohr die Schallwellen in Millisekunden in bioelektrische Signale umwandeln, die das Gehirn verarbeiten kann.

„Der Hörsinn ist ein noch wenig verstandener Sinn, der Höchstleistungen vollbringt“, sagt Moser. Für seine Pionierforschung am neu aufgebauten Institut für Auditorische Neurowissenschaften ist der Göttinger Professor in dieser Woche zusammen mit sieben weiteren Kollegen mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgezeichnet worden.

Die jeweils mit 2,5 Millionen Euro dotierte Ehrung gilt inoffiziell als der „deutsche Nobelpreis“ und kann von den Wissenschaftlern in freier Verfügung für eigene Forschungsprojekte eingesetzt werden. „Bei uns in den Geisteswissenschaften ist es häufig so, dass man wegen der Forschungsstrukturen sehr selten längerfristig in Teams zusammenarbeiten kann“, erklärt Steffen Martus, Professor für Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität in Berlin.

Für ihn zählt es deshalb zu den schönsten Effekten, dass es ihm der Leibniz-Preis ermöglicht, „dieses Team an meinem Institut, dieses gedanklich-intellektuelle Milieu länger um mich herum halten“. Aus solchen kreativen Hotspots können dank Leibniz-Finanzspritze dann weitere Höchstleistungen erwachsen.

Von den DFG-Preisträgern, die seit 1986 ausgezeichnet wurden, haben es bisher sieben zum richtigen Nobelpreis in Stockholm gebracht. In der Regel geht der Leibniz-Preis an Wissenschaftler, die in ihrem Gebiet Spitzenleistungen in der Grundlagenforschung erbringen. Nicht selten lässt sich aber auch die praktische Anwendung bereits absehen.

Am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) in Jena untersucht der Chemiker Christian Hertweck, wie Mikroorganismen wertvolle Wirkstoffe für Medizin und Ökologie produzieren. „Wir befassen uns mit wenig untersuchten Bakterien und analysieren deren genetische Information“, berichtet Moser. Vor dem Hintergrund zunehmender Antibiotika-Resistenzen ist es für den Jenaer Forscher wichtig, über die Naturstoff-Schiene eine Tür zu neuen Antibiotika zu öffnen. „Damit wir nicht“, sagt Moser, „in eine Art von neuem Mittelalter verfallen, in dem es keine Möglichkeit gibt, Infektionen zu heilen“.

Weitere Leibniz-Preise wurden an die Professoren Henry N. Chapman vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg, den Biochemiker Hendrik Dietz von der Technischen Universität München, den Chemiker Stefan Grimme (Universität Bonn), und die Historiker Friedrich Lenger (Universität Gießen) und Hartmut Leppin (Universität Frankfurt/Main) verliehen – allesamt Männer, was der DFG bei der Zeremonie sichtlich peinlich war.

Von 2002 bis 2012 habe sich der Frauenanteil unter der deutschen Professorenschaft von 12 auf 20 Prozent erhöht, bemerkte Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass sich darunter keine Leibniz-preiswürdigen Forscherinnen befänden.

Im vorigen Jahr waren vier von zehn Preisträgern Frauen. DFG-Präsident Peter Strohschneider sagte zu, das Auswahlverfahren in diesem Jahr zu ändern.

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3 Kommentare

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  • "Es sei nicht nachzuvollziehen, dass sich darunter keine Leibniz-preiswürdigen Forscherinnen befänden."

     

    Offenbar doch - zumindest in diesem Jahr, denn: "...allesamt Männer, was der DFG bei der Zeremonie sichtlich peinlich war."

    Man hat also offenbar händeringend nach preiswürdigen Arbeiten von Frauen gesucht und in diesem Jahr im Gegensatz zu letzten (4 von 10) keine gefunden. Gut so, dass man nicht eine Alibi-Professorin aus opportunistischen Gründen reingemogelt hat. Denn es sollte die wissenschaftliche Leistung im Vordergrund stehen und nicht der Geschlechterproporz.

    Nächstes Jahr kann es wieder anders sein.

  • Oh man/frau. Wie kann man nur so bescheuert sein. Ich kann mir so richtig vorstellen, wie die Herren sich gedacht haben "ne, das ist ne Frau, die kann unmöglich den Preis bekommen". Wenn die Genderleuts soviel Energie haben, können sie sich dochmal dafür stark machen, dass die offenstichtliche Diskriminierung von Jungen im Schulsport abgeschafft wird (gleiche Leistung unterschiedliche Noten) oder dafür, dass im Sport nur noch ein Rennen stattfindet, also kein erster Platz mehr für die Frau, die den Marathon 10 Minuten später beendet als der erste Mann, etc. Dann würde es aber ein geschrei geben, statt dessen wird natürlich lieber gefordert, dass die Preisgelder gleich sein müssen (siehe damals wimbledon).

     

    Manche haben einfach ein Problem mit Leistung. Und schieben alle Ungleichheit der Welt auf den Besitz eines Penis oder eines Uterus.

  • Sieht so aus als ob wir eine Frauenquote für den diese "Preise" bräuchten .... oder?

     

    Was war denn im Jahr davor? Da waren bei 20% Prof.anteil 40% der Preisträger Frauen - da stimmt doch auch was nicht ... oder?

     

    Sorry Leute, aber lasst die Gender-Keule doch einfach mal eingepackt und berichtet einfach über die Preisträger und vor allem deren Arbeiten - den Rest könnt ihr euch sparen.

     

    Im Übrigen könnte Frau Kunst Preisträgerinnen vorschlagen, aber ich vermute, dass das einfach zu viel Arbeit für die Frau Ministerin wäre - Bemängeln und Andere zum Handeln auffordern ist doch viel einfacher.