Ausgehen und rumstehen von Stephanie Grimm: Die Sauna ist der ideale Ort, wenn es heiß ist
Eigentlich sage ich, wenn Leute über Temperaturen von 30 oder auch 33 Grad meckern, immer: Keine Klagen übers Wetter. Dieses Vergnügen haben wir schließlich selten genug. Doch als die Hitze vergangene Woche mal wieder peakte und ich keine Idee hatte, wohin mit mir, und mein Gehirn nach einer kurzen Nacht langsam schmolz – ein Zustand, den man ja auch nur im Urlaubsmodus genießt –, ertappte selbst ich mich beim Hitze-Dissen, Und bin tatsächlich zwei Tage lang zu Hause geblieben – nur abends mal um den Block. Das kommt sonst nie vor, dafür muss ich ganz schön krank sein.
Freitag, Tag drei, ist es dann etwas kühler, und ich muss vor die Tür, denn ich bin verabredet. In der Sauna – of all places. T. und K. sind in der Stadt und wollen – wie immer, wenn sie ihre britische Insel gen Deutschland verlassen, in die Luxustherme Vabali. Sauna können die in England ja gar nicht, die tragen da sogar Badeanzug.
In der Therme ist es an diesem auch noch warmen Sommertag erstaunlicherweise sehr voll. Aber eigentlich ist so eine Sauna der ideale Ort, wenn es heiß ist. Weil es sich immer noch nach Abkühlung anfühlt, wenn man von drinnen nach draußen wechselt. Ein kaltes Tauchbecken gibt es auch. Denke ich mir, als der junge Mann, der die Aufgüsse macht, beim Herumschleudern sudgetränkter Birkenzweige so richtig loslegt und es in der Saunakammer plötzlich partyartig wird. Dann auf Wasserbetten rumschwappen, die bei dem Wetter fast kühlend wirken. Super. Schön, dass die Gäste solche Präferenzen haben und man sich nicht immer FOMO-mäßig im Nachtleben rumtreiben muss.
Es geht dann auch entspannend weiter. Beim Picknick-Konzert der Cellistin Dobrawa Czocher, das eigentlich vor der Wiese des Silent Green stattfinden sollte: unter Kopfhörern, den Nachbarn zuliebe. Die Picknick-Tüte ist im Eintritt inbegriffen. Was da drin ist, sieht allerdings arg gesund aus, da ist mir nach vier Stunden Sauna eher nach einer salzigen Pommes. Die gibt es hier zum Glück auch. Weil es plötzlich nach Regen aussieht, wird das Konzert in die Kuppelhalle des ehemaligen Krematoriums verlegt.
Die Leute, die mit ihrem Picknick gemütlich auf der Wiese rumlümmeln, begeben sich eher unwillig nach drinnen. Mit ihrem Cello und einem Loop-Pedal webt Czocher dann aber einen so schön soghaften Klangteppich, dass man sich auch drinnen gleich auf den Boden fallen lässt. Ein verknäulter Haufen von Menschen, in dessen Mitte ich doch gerne gleich eindöse. Der angekündigte Regen bleibt aus.
Wie immer am Samstag lockt dann noch ein Konzert, und zwar an einen Ort, den ich eigentlich für immer meiden wollte: das Humboldt-Forum aka Stadtschloss. Über einen ganzen Monat gibt es da unter dem Motto „Durchlüften“ eher obskure Konzerte, Filme, Lesungen und Performances.
Heute spielt der charmante Londoner L. A. Salami, der die tollste Frisur ever und eine Mundharmonika hat und gleichermaßen mit HipHop und Bob Dylan sozialisiert ist. Auch er wundert sich über dieses seltsame Gebäude, in das es ihn verschlagen hat. Der Innenhof ist rappelvoll, viele der Leute sind vermutlich gar nicht wegen der Musik hier: Wo so eine imposante Bühne aufgebaut ist, wird sicher was geboten. Und so warten sie geduldig, dass es losgeht.
Währenddessen schallt das Album von Nichtseattle alias Katharina Kollmann durch den Hof. Die Karlshorsterin hatte vor zwei Tagen hier gespielt. Leider verpasst. Ach ja, vergessen, da war ja brutale Hitze. Jedenfalls macht die eigenwillige Songwriterin eigentlich Nischenmusik, die man sich erst langsam erhören muss. Doch einige Leute nicken zu ihrem lakonischen Gesang trotzdem schön mit und sind kurz davor mitzuklatschen. Mehr raus aus der Blase als für ein lässiges Konzert ins Humboldtforum – das geht eigentlich kaum.
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